Rosa Gitta Martl wurde 1946 in Linz geboren, wo sie auch heute lebt. Die verwitwete Mutter dreier Kinder arbeitete u.a. als Hausiererin, Köchin, Versicherungsangestellte und langjährige Geschäftsführerin des Vereins Ketani für Sinti und Roma. Ihr künstlerisches Werk umfasst bildnerische und literarische Arbeiten, von denen einige in Anthologien und anderen Publikationen veröffentlicht wurden. Bekannt wurde vor allem das Buch ‚Uns hat es nicht geben sollen‘ (2004), in dem auch die Mutter und die Tochter Rosa Gitta Martls zu Wort kommen. Ihr großer Einsatz für die Minderheit trug Martl etliche bedeutende Auszeichnungen ein, darunter 2011 den Elfriede Grünberg-Preis sowie den beim Parlament angesiedelten Demokratiepreis der Margaretha Lupac-Stiftung und 2013 das goldene Verdienstzeichen der Republik Österreich.
Ludwig Laher schreibt über ihr Werk: Rosa Gitta Martls Texte kreisen vordergründig um die eigene Familie. Und doch beziehen sie die Welt ein, die gesellschaftlichen Verhältnisse in Vergangenheit und Gegenwart. Das geht auch gar nicht anders, ist die Autorin doch Angehörige einer lange verfolgten Minderheit, der Sinti, die vor über 500 Jahren in Österreich Fuß fassten. Nur ein einziger Sinto, eine einzige Sintiza von zehn überlebte hierzulande den Völkermord. Martl lässt ihre ermordeten Großeltern wieder lebendig werden, auch wenn ihr Bild blass bleiben muss, ihre Eltern, die einander als ausgemergelte Überlebende der Konzentrationslager Ravensbrück und Sachsenhausen in den Wirren des Kriegsendes auf der Flucht in einem Wald begegneten. In einer detailreichen und farbigen Erzählung schildert Rosa Gitta Martl unprätentiös ihr eigenes Leben, Freud und Leid, das Festhaltenwollen an Kultur und Sprache der Vorfahren, die anhaltende Diskriminierung durch den Staat nach der Barbarei des Nazi-Regimes. Heimatkunde vom Feinsten ist dieses Buch, aber auch ein wichtiger, nachdenklich machender Beitrag in Zeiten eines neuen alarmierenden Trends, ganze Menschengruppen zynisch auszugrenzen. Die Behörden im neuen Österreich helfen den Sinti und Rom_nija zumeist nicht. Im Gegenteil, sie verhöhnen sie mit Sätzen wie „Es kann doch gar nicht sooo schlimm gewesen sein, den Kopf haben Sie ja noch oben“, „Wo sind Ihre Papiere, der Staatsbürgerschaftsnachweis, der Meldezettel und der Heimatberechtigungsschein, Taufschein, wo die Papiere der Eltern, wo, wo, wo?“ Ein wichtiges Stück lebendig geschilderter, anrührender Heimatkunde, sehr persönlich und zwangsläufig politisch, weil die Machthaber es diesen unseren Landsleuten kaum je gegönnt haben, in Frieden zu leben. Eine erhellende Lektüre in Zeiten des wieder salonfähig gewordenen Inhumanismus. (Text: Ludwig Laher)
Rosa Gitta Martl wurde mit dem Roma-Literaturpreis des PEN 2019 ausgezeichnet.