• Roma in Europa

Schweiz

In der Schweiz leben zirka 30.000 bis 50.000 Jenische. „Jenische“ ist sowohl eine Eigen- als auch eine Fremdbezeichnung für Angehörige eines nach landschaftlicher und sozialer Abkunft in sich heterogenen Teils der Bevölkerung in Mittel- und Westeuropa. Historisch lassen sich Jenische auf Angehörige der marginalisierten Schichten der Armutsgesellschaften der frühen Neuzeit und des 19. Jahrhunderts zurückführen. Merkmale dieser historischen Jenischen waren ihr ökonomischer, rechtlicher und sozialer Ausschluss aus der Mehrheitsbevölkerung und eine dadurch bedingte Binnenmigration, meist innerhalb Europas. Jenischen zugeordnet wird eine eigentümliche Sprachvarietät, die aus dem Rotwelsch hervorgegangene jenische Sprache.[1]

Jene Wissenschaftler, die in der Schweiz mit der Ausmerzung des Nomadismus betraut wurden, standen stark unter dem Einfluss nationalsozialistischen Gedankenguts und den Ideen der Eugenik. Zwischen 1926 und 1972 wurden die Kinder der Jenischen von der staatlich finanzierten Organisation "Kinder der Landstraße" erbarmungslos verfolgt. Über fast ein halbes Jahrhundert hinweg wurden mehr als 600 Jenischen-Kinder gewaltsam von ihren Eltern getrennt, aus ihrer Gemeinschaft gerissen und bei Pflegeeltern oder in Kinderheimen untergebracht. Viele wurden in Gefängnisse oder Irrenanstalten gesperrt. Diese Verfolgung der Jenischen erfolgte vor allem in den deutsch- und italienischsprachigen Gebieten der Schweiz. Der Skandal kam 1972 ans Licht. Mit diesem dunklen Kapitel ihrer Geschichte konfrontiert, gab der Schweizerische Bundesrat eine historische Studie über diese Periode in Auftrag, um "die Ziele, Strukturen, Finanzierung und Aktivitäten der Organisation `Kinder der Landstraße´ festzustellen." Gemäß dem Bericht dieser Historiker wurden im Jahre 1988 noch immer rund hundert Opfer dieser Wissenschaft im Dienste der Politik in verschiedenen Institutionen festgehalten.

Eine der bekanntesten Vertreterinnen der Jenischen ist Mariella Mehr.

Die Schweizerin Mariella Mehr wurde als Angehörige der Minderheit der Jenischen 1947 in Zürich geboren. Mariella Mehr ist ein Opfer des Hilfswerks für die Kinder der Landstraße, das Kinder von ihren „fahrenden“ Eltern zwangsweise trennte. Sie wuchs in 16 Kinderheimen und drei Erziehungsanstalten auf. Viermal wurde sie in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen, 19 Monate verbrachte sie in der Frauenstrafanstalt Hindelbank.

Seit 1975 publiziert sie, zunächst journalistisch, dann schriftstellerisch. Sie erhielt zahlreiche literarische Auszeichnungen. 1981 erschien ihr erster Roman (Steinzeit).

Seit den 1970er Jahren engagiert sie sich für die Interessen der Roma, worunter sie auch die Jenischen zählt. In einem Interview sagt sie 1982: „Das Roma-Volk setzt sich aus 29 Stämmen zusammen. Darunter sind die Jenischen ein relativ kleiner Stamm.“ Im selben Interview erklärt sie, dass sie aus der jenischen Gemeinschaft „hinausgeschmissen“ worden sei, weil sie Widerstand dagegen geleistet habe, dass die Frauen, die die Organisationen der Roma bzw. der Jenischen gegründet hätten, darin zurückgedrängt worden seien.

Für ihre schriftstellerische Leistung wie für ihr minderheitspolitisches Engagement erhielt sie 1998 die Ehrendoktorwürde der Universität Basel. Nach zwanzig Jahren in der Toskana lebt Mariella Mehr heute wieder in der Schweiz. [2]

Auch in der Schweiz kämpfen Rom_nija, Sinti_zze und Jenische immer noch gegen Vorurteile innerhalb der Mehrheitsgesellschaft und der damit einhergehenden Stigmatisierung und Marginalisierung, wie auch in folgenden Artikeln beschrieben:

https://www.swissinfo.ch/ger/internationaler-tag-der-roma_roma-in-der-schweiz-eine-minderheit-kaempft-um-anerkennung/43016942

https://www.sozialinfo.ch/fachwissen/fokus/jenische-sinti-roma

https://www.nzz.ch/schweiz/jenische-sinti-und-roma-leiden-an-rassistischen-vorurteilen-ld.1564953?reduced=true

https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-70977.html

 

„Der Bundesrat hat am 1. Juni 2018 den Antrag von zwei Schweizer Roma-Organisationen auf Anerkennung der Roma als nationale Minderheit im Sinne des Europarats-Abkommens zum Schutz nationaler Minderheiten abgelehnt.“ - https://www.humanrights.ch/de/ipf/menschenrechte/jenische-sinti-roma/roma-nationale-minderheit

 

 

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Jenische

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Mariella_Mehr

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