Die Calé sind wahrscheinlich ab dem 15. Jahrhundert über Nordafrika auf die Iberische Halbinsel gekommen. Einzelne Gruppen dürften auch über den Landweg, also über Frankreich eingewandert sein. Seit dem 15. Jahrhundert leben Rom_nija in Spanien und haben viele Versuche der zwangsweisen Vertreibung, repressiven Kontrolle und gewaltsamen Assimilierung durchgemacht.
Im Zeitalter des Aufgeklärten Absolutismus erlangte die jeweilige Obrigkeit mehr Möglichkeiten, Maßnahmen bei sämtlichen Bürgern in ihrem Einflussbereich durchzusetzen. In Spanien führte dies zur leidvollsten Erfahrung in der Geschichte der „Gitano“-Gemeinschaft, nämlich zur kollektiven Verhaftung am 30. Juli 1749 in der Regierungszeit Ferdinands VI. Während der ebenso gründlichen wie wahllosen Razzia wurden zehn- bis zwölftausend Männer und Frauen „nur, weil sie Gitanos waren“ interniert. Die effektive Koordination zwischen den beteiligten Behörden, die passive Mittäterschaft der Kirche, die angesichts eines solchen Unrechts untätig blieb, sowie die Kollaboration von Mitbürgern und Nachbarn der Verhafteten trugen zum zweifelhaften Erfolg dieses Unterfangens bei, die als beispielloses Ereignis unter dem Namen „Schwarzer Mittwoch“ in die lange Geschichte des europäischen Antiziganismus einging. [1]
Einen genauen Bericht zu diesem grausamen Vorgehen findet man hier: https://www.coe.int/t/dg4/education/roma/Source/FS/3.3_Razzia-in-Spanien.pdf
Im 20. Jahrhundert begann unter der Diktatur von Franco ein erneutes Martyrium für die Rom_nija. Im 2. Weltkrieg wurden Tausende ermordet.
Seit 1978 gelten die Calé in Spanien als gleichberechtigte Staatsbürger, es haben jedoch mehrmals Zwangsumsiedlungen stattgefunden. An die 500.000 Menschen leben in Elendsquartieren am Rand der Städte, sie haben kaum Anspruch auf Sozialhilfe. Bis heute sind sie den Übergriffen der Polizei (Guardia Civil) und einem permanenten Rassismus ausgesetzt.
Fast die Hälfte der spanischen Rom_nija lebt in der Region Andalusien, im Süden des Landes. Große Romagemeinden finden sich auch in Madrid, Valencia und Katalonien. Außerdem gibt es eine unbekannte Anzahl portugiesischer Rom_nija (Ciganos) und eine kleine Gruppe osteuropäischer Roma (rund 3.000, hauptsächlich aus Rumänien), wobei ein Großteil der letzteren Gruppe erst vor wenigen Jahren zugewandert sein dürfte. Die spanische Verfassung des Jahres 1978 erkennt Minderheiten nur auf rein territorialer Basis (im Baskenland, Katalonien, Galizien, etc.) an, während sie Gruppen ohne territoriale Bindung, wie die Rom_nija, ignoriert. Die Roma-Bevölkerung ist verhältnismäßig jung, etwa die Hälfte ist jünger als 16 Jahre, und die Geburtenrate der spanischen Rom_nija liegt wesentlich über dem Landesdurchschnitt. Die spanischen Rom_nija stellen eine heterogene und vielfältige Bevölkerungsgruppe dar. Die kulturellen Unterschiede unter den Romagruppen beruhen auf regionalen Verschiedenheiten sowie auf verschiedenen historischen und kulturellen Faktoren. Zurzeit durchleben sie eine Phase bedeutender Veränderungen. Noch vor einigen Generationen lebte die Mehrzahl von ihnen in ländlichen Gebieten und Kleinstädten, doch während der letzten Jahrzehnte zog die Mehrzahl von ihnen in urbane Zentren. Einerseits gibt es unter den spanischen Rom_nija einen relativ kleinen Mittelstand bzw. gehobenen Mittelstand, bestehend aus Akademikern, Künstlern, Handwerkern und kleinen Geschäftsleuten. Andererseits lebt ein bedeutender Anteil der spanischen Rom_nija in extremer Armut. Im Jahre 1985 initiierte die spanische Regierung ein Nationales Entwicklungsprogramm für Rom_nija (Plan Nacional de Desarrollo Gitano), und im Jahre 1989 stellte der spanische Staatshaushalt für das Romaprogramm erstmals spezielle Geldmittel in der Höhe von 3 Millionen Euro bereit. Diese zentralstaatlichen Mittel müssen durch Kofinanzierungen von regionalen und lokalen Verwaltungskörperschaften ergänzt werden. 1990 wurde eine "Beratungskommission" (Comisión Consultativa) aus Vertretern verschiedener nationaler Roma-Organisationen gegründet. Sinn und Zweck dieser Kommission ist es, für die Implementierung des staatlichen Programms eine enge Kooperation zwischen öffentlichen Bediensteten und dem nichtstaatlichen Roma-Sektor herzustellen. Im Jahre 1993 schlossen sich auch mehrere regionale Roma-Vereinigungen der Kommission an. Seit 1995 wurden jährlich durchschnittlich 100 Projekte durchgeführt. Das Projekt wird von mehr als 500 Beschäftigten betreut, von denen rund 22% selbst Rom_nija sind. Pro Jahr profitieren rund 50.000 Personen in rund 12.000 Familien direkt von diesem Programm. Im Jahre 1999 wurde eine neue parlamentarische Kommission mit dem Ziel eingesetzt, "das Roma-Problem zu studieren". Diese Tatsache allein unterstreicht bereits die ungebrochene Entschlossenheit der spanischen Behörden, eine ernsthafte und offenen Debatte auf höchster Ebene zu führen.
Finanzierung von ACCEDER
Acceder ist ein im Jahr 1998 gegründetes Roma-Beschäftigungsprogramm; mittlerweile gibt es in Spanien 48 Beschäftigungsbüros, die verschiedene Dienstleistungen anbieten. Der Arbeitsuchende wird von Roma-Beratern nach seinem Können befragt, danach werden individuelle Profile erstellt, die Beschäftigungsaussichten oder der Ausbildungsbedarf werden ermittelt. Bis Mai 2009 wurde 35.000 Menschen durch Weiterbildungen oder Arbeitsplatzvermittlung geholfen. 25.000 davon fanden einen Job im Dienstleistungssektor. Seit 2006 wird den Klienten auch bei der Gründung eines Unternehmens geholfen. Durch die erfolgreiche Arbeit wurde die Zielgruppe nun erweitert und spricht auch Immigranten an. Der größte Teil der Klienten, der unterstützt werden konnte, waren Frauen, da innerhalb des Programms auch gleichzeitig ein Aktionsprogramm gegen Diskriminierung stattfand.
Die Geschichte des Rom_nija Aktivismus hat das RomArchiv sehr gut dokumentiert: https://www.romarchive.eu/de/roma-civil-rights-movement/history-roma-associative-movement-spain/
Vor allem die Musik, genauer gesagt der Flamenco wurde von den Gitanos (Rom_nija) maßgeblich beeinflusst und ist fixer Bestandteil der spanischen Kultur. In einem Artikel titelte die Presse: „Die stolzen Gitanos: Mit Flamenco gegen das Elend“. In diesem Artikel kommen mehrere Rom_nija zu Wort unter anderem auch der damalige Präsident der spanischen Roma Union. So heißt es im Artikel:
„„Wir haben ziemlich gute Akzeptanz in Spanien erreicht“, sagt Juan de Dios Ramírez, Präsident der spanischen Roma-Union. Aber das dürfe nicht über Probleme hinwegtäuschen: „Wir haben die höchste Analphabeten-Rate, die höchste Arbeitslosigkeit, tausende Familien leben in Slums.“ Die meisten Spanier hätten zwar nicht mehr wie früher Vorurteile. „Aber es gibt auch noch Rassismus.“ Nur ein kleiner Teil der Gitanos lebt noch ohne Dach überm Kopf oder wird straffällig – doch das sind jene, die Vorurteile nähren. Anders sieht das mit nichtspanischen Roma aus, die in den letzten Jahren meist aus Osteuropa zugewandert sind, und deren Zahl in Spanien auf 50.000 geschätzt wird. Sie fliehen vor Diskriminierung und Elend, die meisten aus Rumänien, und suchen mit begrenztem Erfolg ihr Glück auf der iberischen Halbinsel. Doch sie haben es, wie alle Immigranten, schwerer, Arbeit, Auskommen und Anerkennung zu finden.“[2]
[1] https://www.coe.int/t/dg4/education/roma/Source/FS/3.3_Razzia-in-Spanien.pdf
[2] https://www.diepresse.com/597092/die-stolzen-gitanos-mit-flamenco-gegen-das-elend