Erste Dokumente über Roma in Griechenland stammen aus dem 11. Jahrhundert. Im 14. Jahrhundert lebten sie am Peloponnes und auf mehreren Inseln. Ab dem 15. Jahrhundert migrierten viele Roma nach Mitteleuropa. Im 19. Jahrhundert kamen Roma aus Moldawien und im 20. Jahrhundert aus der Türkei nach Griechenland. Es gibt verschiedene Gruppen wie rumelische Roma (rumelijake Roma), walachische Roma (Kalpazarja), Cergari (Ficirja), Arlije, rumänische Roma und Handurja, die aus der Türkei über Bulgarien einwanderten. (Djurić, 1996, S. 102)
Die Zahl der in Griechenland lebenden Rom_nija wird auf 160.000 bis 200.000 Personen geschätzt, Menschenrechtsaktivisten sprechen sogar von 300.000. Griechenland hat mehrere internationale Abkommen unterzeichnet, darunter das Abkommen über die Beseitigung aller Formen von Rassendiskriminierung. Im griechischen Rechtssystem hat internationales Recht Vorrang vor nationalem Recht, aber es gibt keine adäquate Antidiskriminierungsgesetzgebung. Nur wenige Romakinder im schulpflichtigen Alter besuchen die Schule und sind oft der Diskriminierung durch Lehrer, Administratoren und Mitschüler ausgesetzt. Die meisten der griechischen Rom_nija sprechen Romanes und nur ungenügend Griechisch, was oft zu schlechten Schulerfolgen führt. Außerdem gibt es in griechischen Schulen keinen Unterricht in Romanes. Einige muslimische Rom_nija müssen Griechisch-Orthodoxe Schulen besuchen, obwohl das Minderheitenrecht für alle Muslime durch den Vertrag von Lausanne 1923 garantiert ist. Der Anteil der Analphabeten unter den griechischen Rom_nija wird auf 80% bis 90% geschätzt. Besonders unter den so genannten "Zeltbewohnenden Roma", die ungefähr die Hälfte der griechischen Romabevölkerung ausmachen, ist die Arbeitslosigkeit besonders hoch. Diese "Zeltbewohnenden Roma" haben, falls sie überhaupt Arbeit finden, in der Regel nur saisonale Arbeitsplätze. Bei der Erteilung von Konzessionen für den Straßenhandel und Hausierhandel sind alle Rom_nija Diskriminierungen ausgesetzt. Romasiedlungen sind oft Zeltsiedlungen mit kaum bis gar keiner Infrastruktur. Angedrohte oder tatsächliche Zwangsvertreibungen sind häufig und finden in letzter Zeit meist in der Umgebung von Athen statt. Diese gewaltsamen Vertreibungen, in die sowohl Polizei als auch städtische Behörden verwickelt sind, sind oft brutal, und die vertriebenen Rom_nija werden oft in noch schlechtere Wohngegenden gebracht. Viele Rom_nija haben keinen Zugang zu adäquater Gesundheitsversorgung.
Sozialmedizinische Zentren
Das medizinische und soziale Zentrum der Gemeinde Movri betreute ca. 160 Familien oder 900 Personen. Des Weiteren wurden Rom_nija über das öffentliche Gesundheitswesen informiert und der Zugang zur Gesundheitsfürsorge wurde dadurch erleichtert. Auch ein Beratungsdienst zur Integration der Roma-Familien war eingerichtet, um ihnen Zugang zum Programm für Umsiedlung und soziale Integration durch Unterkunft, Bildung und Beschäftigung zu ermöglichen.
2014 machte der Fall der kleinen Maria Schlagzeilen und wies gleichzeitig auf die immer noch vorhandene Stigmatisierung und Diskriminierung von Rom*nija in Griechenland hin. Gleichzeitig wurde auch deutlich, wie voreingenommen manche Medien über den Fall berichteten.
Griechische Rom_nija - arm und ausgegrenzt
Das Schicksal des Roma-Mädchens Maria, das weltweit Schlagzeilen macht, wirft erneut einen Schatten auf das Verhältnis zwischen Roma und griechischem Staat. Die meisten leben in Armut und werden ausgegrenzt.
"Das war mal wieder typisch" empört sich Stelios Kalamiotis. Für den rüstigen Roma aus dem Athener Vorort Chalandri hat die Medienberichterstattung über das bulgarische Roma-Mädchen Maria, das offenbar aus finanzieller Not von ihren bulgarischen Eltern an eine fremde Familie in Griechenland abgegeben wurde, alte Ressentiments gegen Sinti und Roma geweckt. Der "kleine blonde Engel", wie die griechisch Boulevard-Presse Maria nennt, sei entweder entführt oder von ihren bulgarischen Eltern in Griechenland verkauft worden, war zu lesen.
"Da wurde sogar geschrieben, dass die Kleine von der eigenen Mutter missbraucht und von ihren Zieheltern wie ein Tanzbär behandelt worden sei. Jeder hatte eine Geschichte zu erzählen", klagt Kalamiotis. Doch Untersuchungen hätten ergeben, dass diese Anschuldigungen gar nicht stimmten. Natürlich müsse die Justiz weiter ermitteln, aber ohne Beeinflussung, sagt der aufgebrachte Roma.
Ein "Kulturverein" im Kampf gegen die Zwangsräumung
Auch in eigener Sache appelliert Kalamiotis an die griechische Justiz: Er gehört zu den 300 Menschen, die seit 1970 in einer Roma-Siedlung im Athener Vorort Chalandri leben und derzeit behördlich aufgefordert werden, ihr Zuhause zu verlassen. Der Grund: Ihre Unterkünfte stünden auf Grundstücken fremder Besitzer, die nun ihre Ansprüche geltend machten - vielleicht auch deshalb, weil der Ort zunehmend an Wert gewinne und als Filetstück im Athener Immobiliengeschäft gehandelt werde.
Stelios Kalamiotis und die anderen Roma in der Siedlung leben in extremer Armut und schlagen sich durch den Großstadt-Dschungel als Müllsammler oder Gelegenheitsverkäufer. In Chalandri haben sie gemeinsam einen "Kulturverein" gegründet, um sich juristisch gegen ihre Zwangsräumung zu wehren. Kalamiotis, der heute dem Kulturverein vorsitzt, bezweifelt die Gültigkeit der Eigentumstitel.
Das Geld kommt bei den Roma nicht an
Vor Jahren habe das Parlament über Zwangsumsiedlungen der Roma debattiert, erinnert sich der Mittfünfziger. Dabei habe er erfahren, dass die umstrittenen Grundstücke während der griechischen Militärdiktatur (1967-1974) einer Beamten-Wohnungsbau-Genossenschaft zugeschoben worden seien. Dennoch sagt Kalamiotis: "Ich wäre bereit, diese Siedlung zu verlassen, wenn der Staat mir eine Wohnung in der gleichen Gegend zuweist oder mir hilft, ein eigenes Haus zu bauen. Dafür gibt es ja genügend Geld."
Dass für die Roma genügend Geld zur Verfügung steht, aber bei den wirklich Bedürftigen nur wenig davon ankommt, meint auch Panagiotis Dimitras, Vorsitzender der Menschenrechtsorganisation Greek Helsinki Monitor. Zentrale Probleme vieler griechischer Roma seien die Wohnungssituation, sowie der mangelnde Zugang ihrer Kinder zu guter Schulbildung, erklärt der Menschenrechtsaktivist. Daran habe sich in den letzten Jahren auch nicht viel geändert – trotz ehrgeiziger Regierungsprojekte und finanzieller Unterstützung aus EU-Töpfen.
Im Jahr 1996 habe der damalige Ministerpräsident Kostas Simitis ein Programm zur Besserstellung der griechischen Roma angekündigt mit dem erklärten Ziel, jedem Bedürftigen eine Wohnung und jedem Roma-Kind einen Schulabschluss zu garantieren, sagt Dimitras. Die Bilanz sei ernüchternd. "Zig Millionen Euro, darunter auch EU-Subventionen, wurden dafür gezahlt, doch ein Großteil der Hilfsgelder wird offenbar fehlgeleitet und versickert durch Korruption und Misswirtschaft", kritisiert der Menschenrechtsaktivist.
Zwischen bitterer Armut und Assimilation
Nicht einmal die genaue Zahl der Roma in Griechenland konnte bis heute ermittelt werden: Nach Medienschätzungen seien es zwischen 150.000 und 250.000; Menschenrechtsaktivisten sprechen von über 300.000 Roma. Experten zufolge sei eine exakte Schätzung auch deswegen schwierig, weil die meisten griechischen Roma mittlerweile als "sozial angepasst" gelten würden, sich ein bürgerliches, wenn auch bescheidenes, Leben aufgebaut hätten und mitunter sogar ihre Herkunft verschweigen würden.
Trotz weitreichender Assimilation leben Zehntausende Roma allerdings immer noch in Slum-Siedlungen. Diese Menschen stehe es zu, von den laufenden Hilfsprogrammen zu profitieren. Dimitras sagt, dass die Verwaltung zwar die bereitgestellten Hilfsgelder freigebe, aber nicht prüfe, ob sie den Bedürftigen tatsächlich zugutekommen würden. Auf dem Papier funktioniere alles reibungslos, doch in der Praxis würde nur wenigen Menschen geholfen. Besonders deutlich zeige sich dies in einer unzureichenden schulischen Bildung, kritisiert der Vertreter von Greek Helsinki Monitor.
Bildung - Weg aus der Isolation
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe Griechenland bereits wegen zweier Ghetto-Schulen verurteilt, die für Roma bestimmt seien; doch beide Schulen blieben weiter bestehen, moniert Dimitras. "Eine dieser Schulen befindet sich im mittelgriechischen Ort Sofades, wo man eine Vorzeige-Siedlung für Roma gebaut hat. Dort sind die Roma-Wohnungen luxuriöser ausgestattet als viele Nachbarhäuser. Doch ausgerechnet bei der Schule bleibt alles beim Alten: 500 Roma-Kinder werden in die Ghetto-Schule gedrängt und können dort gar nichts lernen".
Experten sehen einen Teufelskreis: Von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht, haben Roma-Kinder keine Bildungs- und Aufstiegschancen und dadurch wird ihre soziale Ausgrenzung erst recht gefestigt.
Im Zuge der jahrelangen Auseinandersetzung mit den Behörden, die seine Siedlung zwangsräumen wollen, hat auch der Athener Roma Stelios Kalamiotis das Problem erkannt und erklärt es mit seinen eigenen Worten: "Weißt du, warum wir leiden? Weil wir nicht lesen und schreiben können. Und deswegen werden wir benachteiligt", empört sich der fünffache Familienvater. [1]
https://www.sueddeutsche.de/panorama/roma-in-griechenland-das-schicksal-der-verschwundenen-kinder-1.1801001
Im Oktober 2021 wurde ein junger Rom von Polizisten erschossen. Ähnlich wie der Fall von Stanislav Tomás (Tschechien) löste der Fall Entsetzen in der Rom_nija Community aus, da wieder jemand durch Polizeigewalt starb und niemand reagierte. In diesem Fall kam es jedoch zu Ausschreitungen und Protesten, um Solidarität für das Opfer zu bekunden und um auf die Missstände innerhalb der Polizei aufmerksam zu machen. Die Aufstände wurden teilweise gewaltsam beendet.
https://orf.at/stories/3234528/
https://www.heise.de/tp/features/Jugendlicher-in-Griechenland-stirbt-im-Kugelhagel-der-Polizei-6227190.html
https://www.fr.de/panorama/griechenland-athen-polizei-erschiesst-roma-schwere-proteste-polizeigewalt-91077834.html
https://www.jungewelt.de/artikel/413509.proteste-in-athen-nach-tod-von-20j%C3%A4hrigem-rom.html
[1] https://www.dw.com/de/griechische-roma-arm-und-ausgegrenzt/a-17203696