Die Sinti_zze nennen sich auch Manouche. Die Calé oder Gitanos im Süden des Landes sind verwandt mit den spanischen Calé. Die ersten Gruppen waren bereits zu Beginn des 15. Jahrhunderts dokumentiert. Einige der ersten Romagruppen gaben an, auf Pilgerreise nach Santiago de Compostella zu sein. Bereits 1504 befahl Ludwig II. die Vertreibung aller Rom_nija aus Frankreich. Bei Ergreifung drohte ihnen lebenslange Galeerenstrafe. In den nachfolgenden Jahrhunderten kam es immer wieder zu Verfolgungen und Repressalien. Die Grundsätze der Revolution von 1789 - Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit - galten nicht für Rom_nija. Bereits 1802 wollte man alle Rom_nija verhaften und auf Inseln deportieren. Der Napoleonische Krieg verhinderte dieses Vorhaben, viele Rom_nija wurden zum Militär eingezogen.Nach der Aufhebung der Sklaverei in Rumänien (19. Jahrhundert), nach der Oktoberrevolution in Russland und nach dem Ungarnaufstand 1956 kamen auch Rom_nija aus Osteuropa nach Frankreich.
Während des Vichy-Regimes (2.Weltkrieg) wurden etwa 30.000 Rom_nija und Sinti_zze in den französischen Konzentrationslagern, die als französischer Vorhof von Auschwitz bezeichnet wurden, inhaftiert. Auch nach dem Krieg änderte sich die Lage nicht entscheidend. "Fahrende haben einen Fahrausweis mit sich zu führen, den sie alle drei Monate von ihrer Stammgemeinde abstempeln lassen müssen. Ihre Wagen tragen eine Plakette mit der Aufschrift "SDF" (ohne festen Wohnsitz). Wegen fehlender Wohnwagen-Stellplätze können ihre Kinder nicht zur Schule gehen, woraus auch der Verlust des Kindergeldes resultiert. Wählen dürfen sie erst, wenn sie mindestens drei Jahre bei einer Gemeinde gemeldet sind, für die übrige Bevölkerung gilt eine Zeitspanne von sechs Monaten. Die Maßnahmen sollen die Fahrenden dazu bewegen, sesshaft zu werden." (Köpf, 1994, S. 84)
Es gibt keine offiziellen Zahlenangaben über die in Frankreich lebenden Rom_nija, Sinti_zze und "Gitanes", aber ihre Zahl wird von Menschenrechtsorganisationen auf 280.000 bis 340.000 Personen geschätzt. In Frankreich werden Rom_nija meist als "Fahrende" bezeichnet. Nach dem so genannten "Besson- Gesetz" sind französische Lokalverwaltungen mit einer Bevölkerung von 5.000 oder mehr Personen verpflichtet, Standplätze für Fahrende mit mindestens einer Toilette und zwei Duschen für jeweils 5 Wohnwägen auszustatten, die Bildungsbedürfnisse der Fahrenden zu erheben, Sozial- und Wirtschaftshilfe zu leisten, soweit als möglich Hilfsprogramme zu implementieren und für jene Fahrenden, die sich in der Gegend niederlassen wollen, Sozialwohnungen zur Verfügung zu stellen. Das Gesetz zielt darauf ab, den Fahrenden annehmbare Einrichtungen für ihre Mobilität zur Verfügung zu stellen, sowie sie von der Errichtung illegaler Standplätze abzuhalten.Angeblich stellt die französische Regierung 70% der dafür benötigten finanziellen Mittel zur Verfügung. Mit Ende der gesetzlichen Ablaufrist am 5. Jänner 2002 hatten nur 6 von 1.739 Lokalverwaltungen die nach dem "Besson Gesetz" des Jahres 2000 vorgesehenen Maßnahmen implementiert.
Mit Beginn des Schuljahres 1999/2000 sahen sich die Kinder aus Roma-, Sinti- und "Gitanes"-Familien einer steigenden Zahl von Schwierigkeiten gegenüber, wenn es darum ging, ihre Kinder in Schulen anzumelden.Die Kinder wurden in Kindergärten, Volksschulen und Mittelschulen mit verschiedenen Begründungen abgewiesen: Platzmangel, Mangel an Lehrmaterial, sowie fehlende Zeugnisse der Kinder, um ihr Bildungsniveau beurteilen zu können. Eine Schule setzte sogar eine willkürliche Quote für Romakinder fest, um "Konfliktsituationen zu vermeiden." Schulleiter erklären ihre Unwilligkeit, Romakinder in die Klassen zu integrieren, im Allgemeinen mit dem Vorwand, dass sie über keine Einrichtungen zur Lösung der schulischen Probleme von analphabetischen Kindern, oder von Kindern mit unregelmäßiger Unterrichtserfahrung verfügen. Einige Kinder von Fahrenden bewarben sich für die vom Centre National d’Education à Distance (CNED) angebotenen Fernunterrichtskurs für die Sekundarschule. Die Kurse erschienen ihnen besonders geeignet, da sie Unterrichtseinheiten über Romakultur und Romageschichte enthielten. Für die Kurse, die speziell für Romakinder und Kinder von Fahrenden entwickelt wurden, benötigten die Kinder aber die Zustimmung der Schulbehörde. Diese Genehmigung wurde mit der Begründung verweigert, dass die Kinder ein Institut für geistig behinderte Kinder oder spezielle Sekundarschulklassen zu besuchen hätten.
Anti-Rom_nija-Kampagne von Nicolas Sarkozy
Nach Zusammenstößen zwischen einer Gruppe Fahrender und der Polizei in Saint-Aignan bei Rennes im Jahr 2010, kündigte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy die Auflösung aller nicht genehmigten Roma-Lager an. Rom_nija, die die öffentliche Ordnung gestört oder Betrugsdelikte begangen hatten, wurden sofort in ihre Herkunftsländer abgeschoben. Schon im Jahr 2009 wurden ca. 10.000 Rom_nija aus Frankreich ausgewiesen, neu war diesmal jedoch die mediale Inszenierung des Präsidenten. Im Oktober des Jahres 2010 musste die Regierung öffentlich eingestehen, dass die Polizei eine Datenbank von „ethnisch nicht sesshaften Minderheiten“ führte. Des Weiteren wurde ein Schreiben des Innenministers veröffentlicht in dem er die Polizeipräfekten aufforderte besonders gegen Roma-Camps vorzugehen.
Projekt: Zertifizierung von Fertigkeiten
Das Projekt bietet Fahrenden und Rom_nija eine an die Bedürfnisse und den Lebensstill angepasste Ausbildung an. Es werden die Kompetenzen der Personen betrachtet und fehlende Qualifikationen eingeschätzt, danach erfolgen die Erstellung eines Ausbildungsplans, welcher als Ziel eine Berufsprüfung hat. Das Ausbildungsprogramm kann so von 8-9 Monaten auf ein Monat gekürzt werden. Der Zeitplan der Ausbildung wird mit den Fahrenden abgesprochen und gemeinsam erstellt. Alle Teilnehmer des ersten Anlaufs des Projekts konnten ihre Prüfungen positiv abschließen und erhielten ein Berufsdiplom.
Ein Zeitungsartikel aus dem Jahr 2013
Auch wenn Rom_nija seit Jahrhunderten in Frankreich leben so werden sie immer noch oft als Menschen zweiter Klasse behandelt, wie auch dieser Artikel aus dem Jahr 2013 bestätigt:
„Der Name Sarkozy (Ehemaliger Französischer Staatspräsident) hat einen bitteren Nachgeschmack für alle Roma in Frankreich. Nicht nur für die rund 20.000 Migranten aus Rumänien und Bulgarien, deren provisorische Lager seit Jahren immer wieder von der Polizei geräumt werden. Das Klima hat sich auch für Menschen wie Baro und Kake verschärft, deren Familien seit Jahrzehnten, mitunter Jahrhunderten in Frankreich ansässig sind. Sie haben die französische Staatsangehörigkeit und fühlen sich trotzdem häufig als Bürger zweiter Klasse. "Meine Kinder gehen in die Schule und dort wissen die anderen nicht, dass sie Manouches sind. Nicht, weil wir uns schämen, sondern weil wir nicht möchten, dass man sie deswegen hänselt," erzählt Baro und Kake fügt schnell hinzu: "Für die Arbeit ist es dasselbe, wenn Du denen sagst, Du bist Zigeuner oder Manouche, dann nehmen sie dich nicht. Oder wir werden überwacht und sobald etwas fehlt, ist ja klar, dass wir das waren."“
Den ganzen Artikel finden Sie hier: https://www.dw.com/de/roma-in-frankreich-zwischen-anpassung-und-tradition/a-17093654
Fake News führen zu Übergriffen
Im Jahr 2019 wurden über die sozialen Medien Falschmeldungen über Rom_nija verbreitet, die auf altbekannten Vorurteilen beruhen: Man beschuldigte sie Kinder zu stehlen. Daraufhin kam es zu Unruhen und mehrere Rom*nija wurden brutal angegriffen. Eine regelrechte Lynchjustiz wurde durch diese „Fake news“ losgetreten. Hinzukommt, dass Frankreich, wie viele andere Länder auch, ein Rassismus Problem innerhalb der Polizei hat. Auch in den Medien wurde über die Übergriffe berichtet:
Nach Angriffen auf Roma: Frankreichs Polizei kämpft gegen Fake News in den sozialen Medien
Von Alice Tidey & Vincent Coste mit AFP • Zuletzt aktualisiert: 29/03/2019
Die französischen Behörden haben diese Woche Warnungen vor Fake News herausgegeben, deretwegen Mitglieder der Roma-Gemeinschaft mehrmals gewalttätig angegriffen worden waren. Die Falschmeldungen waren über die sozialen Medien verbreitet worden und beschuldigten Roma, Kinder zu entführen.
Die Polizei in Paris bekämpft seit Montag unwahre Gerüchte auf Twitter. Einer Falschmeldung zufolge fahre ein weißer Van zwischen den Städten Nanterre und Colombes hin und her, um junge Frauen zu entführen. Das seien "Fake News", heißt es in einem Tweet.
"Nachdem dieses Gerüchts in den sozialen Netzwerken geteilt wurde, wurden zwei Personen zu Unrecht beschuldigt und gelyncht. Geben Sie diese falschen Informationen nicht weiter", fügte die Polizei hinzu.
Der Angriff vom 17. März
Mit den Warnungen bezog man sich auf einen Angriff vom 17. März, als sich eine Gruppe Menschen in Colombes, einer Vorstadt nordwestlich von Paris, um einen weißen Lieferwagen versammelte und die beiden Männer darin verprügelte. Sie wurden beschuldigt, auf der Suche nach potentiellen Entführungsopfern zu sein.
Nach Angaben der AFP-Nachrichtenagentur ereigneten sich in dieser Nacht auch mindestens zwei weitere gewalttätige Zwischenfälle gegen Mitglieder der Roma-Gemeinschaft in Clichy-sous-Bois und in Bobigny, zwei Vorstädten nordöstlich der französischen Hauptstadt. Etwa 20 Personen wurden nach den Anschlägen verhaftet, berichtete AFP.
Derartige Gerüchte gibt es in Frankreich immer wieder. Im November 2017 mussten sich Behörden des Gebietes der Loiret öffentlich gegen ein Gerücht stellen, dem zufolge ein weißer Lieferwagen im Zusammenhang mit mehreren mutmaßlichen Entführungsversuchen gesichtet worden war. Ein Bild eines Fahrzeugs war in den sozialen Medien verbreitet worden, wobei dessen Kennzeichen deutlich sichtbar war.
Im November 2018 meldete ein 11-jähriges Mädchen in Yvelines der Polizei, dass ein Mann mit einem weißen Lieferwagen versucht habe, sie zu entführen. Später gab sie zu, gelogen zu haben.
"Verleumderische, gefälschte Nachrichten"
Das neuste Gerücht, das offenbar im Großraum Paris entstand, hatte sich wie ein Lauffeuer auf Social Media verbreitet. Nutzer veröffentlichten Bilder und Videos von Lieferwagen und erklärten, dass diese von Männern rumänischer Herkunft gefahren würden. Sie warfen ihnen vor, versucht zu haben, Kinder zu entführen, um ihre Organe zu entnehmen oder sie an einen Sexhandelsring zu verkaufen zu wollen.
Auf anderen Videos, die Euronews nicht selbst überprüfen konnte, waren Männer zu sehen, die Insassen eines Lieferwagens angriffen.
Bisher kamen die Behörden nicht gegen diese Gerüchte an. Die Stadt Bondy nordöstlich von Paris gab vor zwei Wochen eine Erklärung heraus, in der sie das Gerücht über die Entführung eines Mädchens als unwahr bezeichnete.
"Die Stadt musste reagieren, weil diese verleumderische, gefälschte Nachricht Menschen in unsicheren Umständen betrifft, ohne dass sie die Möglichkeit haben, zu reagieren", heißt es.
Auch die Bürgermeister von Sevran und Aulnay-sous-Bois wehrten das Gerücht in Erklärungen als unbegründet ab. Beide sagten, dass keine Entführungen oder Versuche gemeldet worden seien.
Dennoch warnte ein lokaler Fußballverein Eltern am Montag auf Facebook, dass "mehrere Warnungen über Menschen gemacht wurden, die an Trainingstagen in der Nähe von Stadien (meist in Vans) unterwegs sind, um Kinder zu entführen".
"Rassistische falsche Nachrichten"
In einer Erklärung vom Dienstag verurteilte die Roma-Gruppe "Voices of Roma" diese "rassistische Falschmeldung" und sagte, dass die Angriffe auf Mitglieder der Gemeinschaft viele "schwer verletzt und tausende von Menschen verängstigt" hätten.
"Diese rassistischen Stereotypen über Roma-Kindesentführer stammen aus dem Mittelalter in Frankreich und haben bereits Krisen tödlicher Gewalt ausgelöst", heißt es dort. "Die gleichen falschen Mechanismen der Entmenschlichung, die zu den Massakern an den Rohingya in Burma oder den Fulbe in Mali geführt haben, sind die Ursache dieser Mordversuche in Frankreich". (https://de.euronews.com/2019/03/27/angriffe-roma-frankreich-polizei-kaempft-fake-news-soziale-medien-paris)