• Geschichte

Das Attentat

In den 1990er Jahren arbeiteten die nun schon etablierten Roma-Vereine sukzessive an der Verbesserung der Lebensumstände der Roma in Österreich. Sie zirkelten ihre Arbeitsfelder ab und konnten beachtliche Fortschritte erzielen. Der Verein Roma Oberwart widmete sich der Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Roma und der außerschulischen Lernbetreuung für Romakinder im Grundschulalter. In der Nacht vom 4. auf den 5. Februar 1995 veränderte sich die Situation der in Oberwart lebenden Roma jedoch schlagartig. Vier Bewohner der Roma-Siedlung wurden durch eine Sprengfalle getötet. Was war geschehen? Die Bewohner der Roma-Siedlung fühlten sich durch Drohanrufe gefährdet. Auch glaubten einige BewohnerInnen, verdächtige Personen und Fahrzeuge gesehen zu haben. Einige Männer entschlossen sich daher, in den Nächten aufzupassen. Sie dürften an diesem Abend bemerkt haben, wie sich ein Fahrzeug der Siedlung näherte und bei einer Unterführung hielt. Als sie Nachschau hielten, stießen sie auf eine an einem Rohr befestigte Tafel mit der Aufschrift: „Roma zurück nach Indien!“

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Später rekonstruierte die Polizei, dass die Männer wohl rund um diese Sprengfalle gestanden haben mussten, als diese explodierte. Wahrscheinlich wollten sie die Tafel entfernen und lösten dadurch den Zünder aus. Die Wucht der Detonation war so groß, dass die Männer auf der Stelle starben. Die zum Teil grässlich verstümmelten Leichen von Josef Simon (40), Peter Sarközi (27), Karl Horvath (22) und Erwin Horvath (18) werden erst am Morgen des 5. Februar entdeckt. Die alarmierten Gendarmeriebeamten deuteten die Sachlage anfangs völlig falsch. Sie verdächtigten die Opfer und gingen von einem Verbrechen aus, bei dem die Männer mit einer “Pump-Gun” getötet worden seien. Die Frage, ob diese (Fehl-) Interpretation durch Vorurteile gegen die Roma-Minderheit beeinflusst war, kann wohl nicht mehr geklärt werden. Die Version einer internen Fehde wurde anfangs auch durch die elektronischen Medien verbreitet. (Wochen später, als längst der Zusammenhang zu den Briefbombenattentaten feststand, wurde sie von Jörg Haider wieder aufgegriffen und ausgeschmückt.)

Erst Kriminalbeamte aus Eisenstadt stellten fest, dass die Männer durch ein Sprengstoffattentat umgekommen waren. Spurensicherer fanden auch die Tafel mit der rassistischen Aufschrift. Dennoch wurde eine Hausdurchsuchung in der gesamten Siedlung angeordnet und durchgeführt, was von den Roma als Schikane und als Demütigung empfunden wurde. 
Vermutungen, wonach die Männer Opfer eines rassistischen Terror-Aktes geworden sind, bestätigen sich, als am 6. Februar in Stinatz eine weitere Bombe detonierte und ein Bekennerschreiben gefunden wurde. Das Oberwarter Attentat gilt als der folgenschwerste innenpolitisch motivierte Anschlag der Zweiten Republik. Zu dem Attentat bekannte sich eine rechtsextreme Gruppierung (Bajuwarische Befreiungsarmee), die Österreich schon längere Zeit mit Briefbombenserien und Rohrbomben terrorisierte. Die Exekutive konnte einige Jahre später Franz Fuchs als Täter ausforschen, der zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurde und in der Haft Selbstmord verübte. Ob Franz Fuchs wirklich als Einzeltäter handelte, was dieser immer bestritt, bleibt bis heute umstritten.

Viele der in den vorangegangenen Jahren aufgebauten Strukturen und auch der erarbeiteten Erfolge waren durch dieses Attentat in Frage gestellt. Unter den Roma wurden wieder Stimmen laut, die sagten, die Volksgruppe solle sich unauffälliger verhalten und keine Forderungen stellen. Man befürchtete, dass das hohe Maß an Aufmerksamkeit, das den Roma zuteil wurde, weitere Anschläge nach sich ziehen könnte.

Doch trotz der berechtigten Verunsicherung wurde der beschrittene Weg fortgesetzt und die Romavereine konnten ihre erfolgreiche Arbeit weiterführen.

Die Opfer

Karl Horvath, geb. am 12.6.1973, gest. am 4.2.1995, ca 23.45 Uhr

Erwin Horvath, geb. am 14.11.1976, gest. am 4.3.1995, ca 23.45 Uhr

Peter Sarközi (Horvath), geb. am 25.8.1968, gest. am 4.2.1995, ca 23.45

Josef Simon (Nardai), geb. am 18.1.1955, gest. a, 4.2.1995, ca 23.45

Die nun nachfolgenden Biografien der Opfer wurden vom Oberwarter Autor Stefan Horvath verfasst, dem Vater von Peter Sarközi.

 

Karl Horvath wurde 1973 in der dritten Roma-Siedlung von Oberwart geboren. Er war ein Roma-Kind einer Generation, die in den Achtziger und Neunzigerjahren nach einem Sinn in ihrem Leben suchte – und diesen nie fand.

Karl stammte aus einer Mischehe. Der Vater war ein Rom aus der Siedlung und die Mutter eine „Gadsche“, eine Frau aus der Mehrheitsbevölkerung der Stadt. Mischehen funktionierten damals nur dann, wenn der soziale Status des jeweiligen Partners aus der Mehrheitsbevölkerung dem des Partners aus der Roma-Siedlung entweder gleichgestellt oder niedriger war.

Nach der Einschulung in die Volksschule wurde Karl in die Sonderschule versetzt. Das war damals kein ungewöhnlicher Schritt, denn auch Karls Vater war ein Analphabet, was offenbar schon ausreichte, um auch das Kind zu stigmatisieren.

Karls Vater starb, als er die Sonderschule gerade beendete. Von nun an war seine Mutter die Alleinerzieherin von vier minderjährigen Kindern und mit dieser Situation überfordert.

Nach der Schulzeit beteiligte sich Karl an mehreren Projekten für arbeitslose Jugendliche und Langzeitarbeitslose. U.a. arbeitete er auch an der Renovierung des vormaligen Jugendhauses in der Lisztgasse 12 in Oberwart mit, aus dem in der Folge das OHO – Offenes Haus Oberwart  wurde. Nach Beendigung dieser Projekte wurde er arbeitslos, aber das schien ihn nicht zu stören.

Karl war ein ruhiger junger Mann, der nie unangenehm auffiel. Er hatte keine Freundin und auch keinen Führerschein. Erst die Freundschaft zu den drei anderen Opfern ließ ihn aus seiner Lethargie erwachen. Jetzt waren gemeinsames Kartenspielen und Discobesuche durchaus an der Tagesordnung. Er genoss sichtlich die letzten zwei Jahre seines Lebens.

 

Erwin Horvath war der jüngere Bruder von Karl. Er absolvierte die Volksschule und die Hauptschule, wobei er einmal eine Klasse wiederholen musste. Nach dem Tod seines Vaters suchte Erwin in Karl so etwas wie einen Vaterersatz. Die Bande zueinander wurden immer enger, man sah kaum den einen ohne den anderen.

Erwin versuchte eine Weile, bei diversen Projekten für arbeitslose Jugendliche Fuß zu fassen, doch es war ein hoffnungsloses Unterfangen. Als die Freundschaft zu Peter Sarközi und Josef Simon intensiviert wurde, saß man sehr oft beim Kartenspielen zusammen und besuchte gemeinsam eine Disco.

Erwin war ein junger Mann mit guten Manieren, gehörte aber der Generation der Verlorenen an. Auch er hatte weder eine Freundin noch einen Führerschein. Er war das jüngste der vier Attentatsopfer des als „österreichischen Terroristen“ bezeichneten Psychopathen Franz Fuchs. Erwin hatte kurz vor seinem gewaltsamen Tod das achtzehnte Lebensjahr vollendet.

Der Großvater von Karl und Erwin war Michael Horvath. Er war allgemein unter dem Namen „Pozzi Mischka“ bekannt und hatte zwischen 1939 und 1945 sechs Jahre im Konzentrationslager zugebracht. Dort, am Tatort von 1995, verspürte er das Grauen „von damals“, wie er mehrfach sagte, den Wahnsinn seiner Jahre im KZ.

Die Mutter von Karl und Erwin war dem Tod ihrer beiden Söhne und den grassierenden Unstimmigkeiten in der Roma-Siedlung nach dem Erhalt vermeintlicher Spendengelder im Zuge des Attentates nervlich nicht gewachsen. Sie verließ die Roma-Siedlung Ende 1996 und scheint sowohl den Tatort als auch den Friedhof, in dem ihre Söhne liegen, zu meiden. Auch das ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass das Attentat von Oberwart nicht nur vier jungen Männern das Leben gekostet, sondern auch noch eine ganze Reihe von weiteren Opfern hinterlassen hat.

 

Peter Sarközis Werdegang unterschied sich ein wenig von dem der anderen Opfer des Attentats. Er wurde als außereheliches Kind meiner späteren Frau in Stegersbach geboren. Er war also kein Kind aus der Roma-Siedlung in Oberwart.

Er erlebte allerdings genau das gleiche Schicksal in der Schule wie alle anderen Roma-Kinder: Nach dem Beginn in der Volksschule wurde er in die Sonderschule versetzt. Ein Weg, der scheinbar für alle Roma-Kinder dieser Siedlung vorgezeichnet war. Aber dieses Mal war es in erster Linie dem Wegschauen seiner Eltern zuzuschreiben. Peters Mutter war eine äußerst tüchtige Frau, die aber wegen der zahlreichen Kinder, die sie mit mir, ihrem Mann, von anderen Familien angenommen hatte, hoffnungslos überfordert war. Ich war in Wien berufstätig und kam nur an den Wochenenden nach Hause. Hier aber waren meine eigenen Interessen größer als die Interessen und Sorgen meiner Kinder. Auch der Umstand, dass auch meine Kinder in der Sonderschule landeten, schien mich – zunächst – nicht zu stören, obwohl ich selbst als Kind ein ausgezeichneter Schüler gewesen war.

Schon als Kind war Peter ruhig und scheu. Nach seiner Schulzeit war er unter der Leitung des Arbeitsmarktbetreuers Horst Horvath bei verschiedenen Projekten wie der Renovierung der Burg Schlaining, des Schlosses Jormannsdorf oder der Dorfscheune Buchschachen beteiligt. Nach Beendigung dieser Projekte wurde er arbeitslos. Er bezog aber nie Arbeitslosengeld, weil er nie darum ansuchte.

Eine Stunde vor seinem Tod habe ich, sein Stiefvater, das letzte Mal mit ihm gesprochen. Seine letzten Worte werden mich nie wieder loslassen. Es war ein folgenschwerer Satz: „Du wirst erst aufwachen, wenn etwas passiert ist.“ Eine Stunde später explodierte die Sprengfalle.

 

Josef Simon wurde noch in der zweiten Roma-Siedlung von Oberwart geboren. Er war der Älteste der vier Attentatsopfer am 4.2.1995. In der Roma-Siedlung wurde Josef nur „Hompa“ gerufen.

Hompa erlebte in der Schule die gleiche Prozedur wie die meisten Roma-Kinder in Oberwart. Kurz nach der Aufnahme in die Volksschule wurde er in die Sonderschule verbannt und verbrachte dort den Rest seiner Schulzeit. Nach seinem Abgang war Hompa eine Weile in Wien als Bauhilfsarbeiter tätig. Als er seine spätere Frau Judith Simon, ein „Gadsche-Mädchen“ aus der Stadt, kennenlernte und heiratete, nahm er ihren Familiennamen Simon an, weil er glaubte, dass der Name Nardai ihm nur Nachteile bringen würde.

Nach der Vermählung nahm Hompa bei verschiedenen Baufirmen der Region eine Arbeit an, um seiner Familie nahe sein zu können. Als sein Vater, ein KZ-überlebender Rom aus der Siedlung, starb, übernahm er nahtlos dessen Hobby, für das er in der Folge in der ganzen Umgebung bekannt war, nämlich den Umgang mit seltenen Vögeln, die er gezähmt hatte und die frei im Garten des Hauses anzutreffen waren. Auch Katzen und Hund, die friedlich nebeneinander lebten, waren anzutreffen.

Als seine Mutter, ebenfalls eine KZ-Überlebende, blind und dement wurde, gab er sie 1993 in eine Pflegeanstalt. Sie starb dort im Jahr 1996. Vom tragischen Tod ihre Sohnes Hompa 1995 bekam sie nichts mehr mit.

Seine Frau Judith hielt den öffentlichen Druck nach dem Attentat nicht aus und verließ 1999 die Siedlung in Richtung Wien. Sie hat dort anscheinend wieder Halt im Leben gefunden.

 

 

Oberwarter Erklärung der Österreichischen Volksgruppen

Oberwart, 11. 2. 1995

Unterzeichnet von:

  • Rat der Kärntner Slowenen
  • Kroatischer Kulturverein im Burgenland
  • Burgenländisch-Ungarischer Kulturverein
  • Verein der burgenländischen Ungarn in Wien
  • Minderheitsrat der tschechischen und slowakischen Volksgruppe in Österreich
  • Österreichisch-Slowakischer Kulturverein
  • Verein Roma
  • Artikel-VII-Kulturverein für Steiermark
  • Kulturverein der österreichischen Roma

Die österreichischen Volksgruppen sind erschüttert und fassungslos über die Mordanschläge auf vier Angehörige der Volksgruppe der Österreichischen Roma. Unsere Anteilnahme und unser tiefstes Mitgefühl gilt den Angehörigen der Opfer Josef Simon, Erwin Horvath, Karl Horvath, Peter Sarközi.

Die Betroffenen der rechtsterroristischen Bombenanschläge vom Dezember 1993 und Sommer 1994 waren österreichische Minderheiten, ausländische Mitbürger sowie deren Freunde, die sich für die Schwächsten unserer Gesellschaft einsetzen.

50 Jahre nach Auschwitz werden Angehörige der österreichischen Volksgruppen wieder ermordet oder müssen um ihren Leib und ihr Leben fürchten, einzig deshalb, weil sie einer Volksgruppe angehören. Das heutige Schicksal der Roma ist auch eine Folge der nichterfolgten österreichischen Vergangenheitsbewältigung. Von den 400 Bewohnern der Roma-Siedlung in Oberwart überlebten nur zwei Dutzend die Nazigräuel. Die Mehrheit wurde in den Konzentrationslagern ermordet oder ist in Anhaltelagern wie Lackenbach umgekommen.

Nach dem Krieg gab es keine Hilfe oder Wiedergutmachung. Die Überlebenden wurden in Barackensiedlungen an den Rand der Gesellschaft abgedrängt. Abgeschoben und verdrängt ­ wie das Gewissen Österreichs.

Anbetrachts der schrecklichen Morde wird den Roma und den österreichischen Volksgruppen von Seiten der politisch Verantwortlichen die volle Solidarität zugesichert. Solidarität ist wichtig, aber sie genügt nicht. Mit dem heutigen Trauertag muss das österreichische Gewissen neuerlich wachgerüttelt werden. Österreich hat sich der Probleme und Anliegen der Roma und anderer österreichischer Volksgruppen anzunehmen, sodass sie als gleichberechtigte Bürger in Österreich leben können.

Die Roma sind arbeitswillig. Sie benötigen dringend adäquate Arbeitsplätze, sodass sie sich als Volksgruppe in ihren Siedlungsgebieten halten können.

Die Roma wollen ihren Kindern ein freundliches Zuhause bieten. Sie benötigen keine Baracken, sondern intakte und menschenwürdige Wohnungen.

Die Roma-Kinder sind bildungswillig. Sie benötigen Unterstützung und Hilfe bei der Ausbildung.

Die Roma sind kulturbewusst. Sie benötigen eine entsprechende finanzielle Dotierung ihrer kulturpolitischen Aktivitäten.

Die Roma wollen ihre Sprache erhalten. Romanes soll in den Kindergärten und Schulen im Siedlungsgebiet der Roma berücksichtigt werden, damit diese Sprache als Teil des österreichischen Kulturgutes anerkannt wird.

Die Roma wollen ein friedliches Miteinander. An den österreichischen Schulen soll die Geschichte und Kultur der österreichischen Volksgruppen vermittelt werden, damit Vorurteile abgebaut werden können.

Die Roma wurden ermordet. Die Überlebenden der Konzentrationslager sollen endlich eine Entschädigung erhalten.

Die Roma wollen die österreichische Volksgruppenpolitik aktiv mitgestalten. Für die Volksgruppe der Roma soll der Volksgruppenbeirat eingerichtet werden.

Die Roma und die österreichischen Volksgruppen benötigen auch rechtlichen Schutz und das Mitspracherecht in der österreichischen Demokratie. Die österreichischen Volksgruppen sind sich daher einig, dass folgende Maßnahmen zu setzen sind:

 

a) Volksgruppengrundgesetz

Bestehende Normen zum Schutz der Volksgruppen aus nationalen und internationalen Gesetzen und Konventionen (z.B. Brünner Vertrag 1920, Staatsgrundgesetz 1867, Staatsvertrag von St. Germain 1919, Österreichischer Staatsvertrag 1955, Volksgruppengesetz 1976) sind in einem Volksgruppengrundgesetz zusammenzufassen und derart zu erweitern, dass sämtliche Lebensbereiche der in Österreich beheimateten Volksgruppen erfaßt werden und einen Schutz bzw. Förderung erfahren, die den Bestand der Volksgruppen und die Bewahrung ihrer Identität sowie ihre freie Weiterentwicklung sichern. Dieses Volksgruppengrundgesetz muss eine qualitative Verbesserung des in Österreich geltenden Rechtsschutzes und Autonomierechte für die Volksgruppen (auf der Grundlage der Personalautonomie) im Sinne des aktualisierten FUEV-Konventionsentwurfes "Volksgruppenschutz in Europa" vom 12. Mai 1994 enthalten. Das Volksgruppengrundgesetz ist vom Nationalrat in der Form eines Verfassungsgesetzes zu verabschieden.

b) Volksgruppenmandate in den gesetzgebenden Körperschaften

Das Österreichische Volksgruppenzentrum befürwortet in Fragen der Volksgruppenpolitik das Prinzip der Konsensualdemokratie und fordert die Einrichtung gesicherter Volksgruppenmandate in den gesetzgebenden Körperschaften. Das Österreichische Volksgruppenzentrum befürwortet die Schaffung zusätzlicher, den Volksgruppen vorbehaltener Mandate in den Landtagen, die von den Volksgruppenangehörigen mittels Zweitstimme oder besonderer Vorzugsstimme gewählt werden.

c) Innere Demokratie; öffentlich-rechtliche Vertretungskörperschaften der Volksgruppen

Wie die Mehrheitsbevölkerung haben auch die Volksgruppen das Recht auf demokratische Strukturen. Das Volksgruppenzentrum befürwortet die gesetzliche Einrichtung von Vertretungskörperschaften der Volksgruppen, die von den Volksgruppenangehörigen auf Grund des gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Wahlrechtes gewählt werden, einzurichten.

d) Europäische und internationale Aufgaben

Der Rechtsterrorismus und die Minderheitenfeindlichkeiten haben internationale Ausmaße angenommen. Österreich muss gemeinsam mit den europäischen Partnern den Rechtsterrorismus, wo immer er auftritt, gezielt und konsequent bekämpfen. Gemeinsam mit den europäischen Partnern muss ein modernes, europäisches Volksgruppenrecht, basierend auf der Konvention über die Rechte der europäischen Volksgruppen vom 28. Mai 1992, erarbeitet und beschlossen werden.

Diese Vorschläge sind Präventivmaßnahmen gegen Minderheitenfeindlichkeit und Rechtsradikalismus. Österreich soll nicht nur Signale setzen, sondern einen aktiven, verfassungsrechtlich abgesicherten Minderheitenschutz schaffen.

 

 

Im Jahr 2015 erschien das Buch „Das Attentat von Oberwart – Terror, Schock und Wendepunkt“ von Erich Schneller und Annemarie Klinger (Hg.) in der edition lex liszt 12. Eine Textsammlung verschiedener Künstler, Zeitzeugen, Journalisten und Aktivisten.

„Es war ein feiger, hinterhältiger Mord, nach eineinhalb Jahren Briefbombenterror mit mehreren Schwerverletzten forderte das Attentat von Oberwart im Februar 1995 vier Tote – Erwin Horvath, Karl Horvath, Peter Sarközi und Josef Simon. Für die österreichischen Roma kehrten mit einem Schlag Ängste und Befürchtungen zurück, die sie bereits überwunden glaubten. Zwei Jahre zuvor war erst die Anerkennung als österreichische Volksgruppe erfolgt, nun schien die Aufbauarbeit der noch jungen Initiativen und Roma Vereine gefährdet. Trauer und Schmerz bestimmten die Zeit danach, aber auch die Erfahrung einer bislang unbekannten Solidarität. Plötzlich stand eine Volksgruppe im Zentrum des öffentlichen Interesses, die bislang kaum wahrgenommen wurde.“ (Klapptext)

 

Gedenken an das Attentat

 

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1998 wurde ein Mahnmal in der Nähe des Tatortes für die Opfer des Bombenanschlages errichtet. Jährlich findet dort eine Gedenkveranstaltung statt.

 

Als sich das Bombenattentat zum 25. Mal jährte berichtete der ORF:

Zum 25. Jahrestag wurde in Oberwart der Opfer des Rohrbombenattentats gedacht. Am Dienstag [Anm.: 4.2.2020] begann um 18.00 Uhr in der EMS Oberwart eine Gedenkfeier, zu der Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) und die Leiterin der Roma-Pastoral der Diözese Eisenstadt, Manuela Horvath, einluden. Schüler der EMS stellten Biografien der Opfer vor.

Gerhard Baumgartner, der Wissenschaftliche Leiter des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes erinnerte sich vor der Veranstaltung an die Nachricht vom Attentat vor 25 Jahren. Man habe zunächst völlig ungläubig reagiert und danach habe sich ein völliger Schock breit gemacht. "Wir dürfen nicht vergessen, das war der erste wirkliche politische Mord in der österreichischen Nachkriegsgeschichte", so Baumgartner.

Anschließend fand ein Gedenkmarsch statt. Nach Ansprachen von Bürgermeister Georg Rosner (ÖVP), Landtagspräsidentin Verena Dunst (SPÖ) und dem Vorsitzenden des Volksgruppenbeirats der Roma, Emmerich Gärtner-Horvath, folgten ein ökumenisches Gebet und abschließend eine Kranzniederlegung.

Das Gedenken an die Anschläge von Oberwart und Stinatz vor 25 Jahren müsse stets eine Mahnung gegen Rassismus, Extremismus und Radikalismus bleiben, sagte ÖVP-Volksgruppensprecher Nikolaus Berlakovich. Es gelte gemeinsam und entschlossen für ein „Niemals wieder“ einzutreten.

Auch die SPÖ gedachte am Dienstag [Anm.: 4.2.2020] der Opfer des Rohrbomben-Attentats in Oberwart. Dieses folgenschwerste politische Attentat in der Geschichte der Zweiten Republik habe gezeigt, wohin Hass, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit führen könnten, so Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch. Für die SPÖ gebe es nur einen Weg: Entschlossen gegen Hass und die Spaltung der Gesellschaft anzukämpfen, um Hassverbrechen zu verhindern.

25 Jahre später stelle sich die Frage, wie nachhaltig jener Ruck war, der damals durch die Gesellschaft gegangen sei, so der burgenländische SPÖ-Nationalratsabgeordnete Christian Drobits. Der Stillstand der letzten Jahre gehöre beendet, die Regierung sei nun am Zug.

https://burgenland.orf.at/stories/3033007/

 

Die Polizeiprotokolle

Am ebenfalls am 4. Februar 2020 veröffentlichte  der ORF Burgenland das Polizeiprotokoll, das kurz nach dem Anschlag angefertigt wurde. Wie schon erwähnt gab es zu Beginn Fehlinformationen über den Tathergang. Walter Schneeberger, Chefredakteur beim ORF Burgenland, rekonstruierte den Ablauf wie folgt:

Dem ORF Burgenland liegt exklusiv das Protokoll jenes Beamten vor, der den Einsatz in Oberwart im Februar 1995 zu Beginn geleitet hatte. Zunächst wurde gegen die vier toten Männer ermittelt. So wurde zum Beispiel auch vermutet, dass sie die Tafel mit der Aufschrift „Roma zurück nach Indien“ – als das die Rohrbombe getarnt war – selbst sprengen hatten wollen. Es gab Hausdurchsuchungen in der Roma-Siedlung. Erst eineinhalb Tage später wurde eine SOKO-Oberwart der Einsatzgruppe zur Bekämpfung des Terrorismus eingesetzt. Das brachte den Behörden viel Kritik ein: Die Opfer seien zu Tätern gemacht worden, lautete der Vorwurf.

Alarmierung der Polizei

Aber was hat sich an diesem 5. Februar nach der Explosion der Bombe wirklich am Tatort abgespielt? Das Protokoll gibt Aufschluss, der Beamte dokumentierte den Einsatz in Oberwart in Form eines Aktenvermerkes:

„08:10 – dem Gefertigten wird Bericht erstattet, daß im Raume Oberwart in der Nähe der dortigen ‚Roma-Siedlung‘ ein vierfacher Mord geschehen ist. Vier Angehörige der Volksgruppe der ‚ROMAs‘ – sind offensichtlich mit einer „PumpGun“ erschossen worden. Den Tatortbereich sichern … Gendarmeriebeamte aus Oberwart und Umgebung ab.“

So beginnt der Aktenvermerk des Beamten, der an diesem Sonntag zunächst Journaldienst in Eisenstadt hatte. Er wurde beauftragt, sofort nach Oberwart zu fahren.

"08:50 Abfahrt Richtung Oberwart

09:50 Eintreffen am Tatort in der Nähe der Roma-Siedlung in Oberwart. … Beim Eintreffen des Gefertigten kann eine ca. 15-köpfige Gruppe von ROMAs in der Nähe der ROMA-Siedlung wahrgenommen werden sowie einige bereits anwesende Journalisten….. jegliche Stellungnahme … von Exekutivorganen an Medienvertreter wird streng untersagt."

Erste Mitteilung an Sicherheitsdirektion

Der Beamte ließ den Tatort abriegeln, um Schaulustige fernzuhalten. Nach einer detaillierten Beschreibung der Lage der Opfer, die strahlenförmig im Halbkreis rund um den zerstörten Gipssockel mit dem explodierten Wasserleitungsrohr lagen, teilte er um 10:30 Uhr Sicherheitsdirektion und Innenministerium mit:

„..daß ein Attentat mittels PumpGun auszuschließen ist und es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um ein Sprengstoffdelikt handelt. Hinsichtlich des Vorliegens oder Nichtvorliegens von Fremdverschulden könne zum gegenwärtigen Zeitpunkt, mangels entsprechender Tatorterhebungen und – untersuchungen, noch keine Angabe gemacht werden.“

Durchsuchungsbefehle für Romasiedlung

Gegen Mittag trafen Staatsanwaltschaft, Untersuchungsrichter, Gerichtsmediziner, Sprengstoffexperten und Kriminalisten und Vertreter des EBT – der Einsatzgruppe zur Bekämpfung des Terrorismus in Oberwart – ein.

„12:50 Aufgrund der bisher vorliegenden Erkenntnissen aus den bis dato durchgeführten Erhebungen erteilt Untersuchungsrichter … über Antrag von Journalstaatsanwalt … mündlich vier Hausdurchsuchungsbefehle in den Wohnobjekten der getöteten ROMAs.“

Doch den Ermittlern reichte das nicht. Sie wollten alle 13 „Wohnobjekte“ der Romasiedlung samt dazugehörigen Nebenräumen und Pkws durchsuchen, was der Untersuchungsrichter um 14.00 Uhr ebenfalls genehmigte. Außerdem wurde eine „lückenlose Opferprofilanalyse“ beauftragt. Mittlerweile waren mehr als sieben Stunden seit dem Auffinden der vier ermordeten Roma vergangen. Die unmittelbare Tatortarbeit, also die Sicherung der Beweisstücke war abgeschlossen. Um 15.30 Uhr wurde noch angeregt:

„…eine gerichtsmedizinische Obduktion erst nach lückenloser Durchsuchung der Kleidungsstücke der sich am Tatort befindlichen Leichen vorzunehmen. Staatsanwalt und Untersuchungsrichter erklären sich damit vollinhaltlich einverstanden…“

Medienspekulationen über Terroranschlag

In den Medien wurde trotz Nachrichtensperre bereits über einen Terroranschlag spekuliert. Das Innenministerium dementierte. „Bisher kein Hinweis auf Anschlag“ hieß es in der Schlagzeile der Austria Presse Agentur um 15.42 Uhr.

„16:20 Uhr – Besprechung … über die Durchführung und Organisation der Hausdurchsuchung. … auf folgende Gegenstände soll besonders Bedacht genommen werden: 1,5 Volt Batterien, Elektronik, Selbstlaborate (z.B. Selbstgemische aus Unkrautsalz und Staubzucker); pyrotechnische Gegenstände wie z.B. Piraten, rote Isolierbänder, silbernes Gewebe, 2 Komponentenkleber, Drähte und Elektronik, Hühnergitter, verzinkte Wasserleitungsrohre, kleine Alurohre, Fachliteratur über die Herstellung von Sprengstoff…“

Gleichzeitige Hausdurchsuchungen in der Siedlung

Punkt 16.55 Uhr wurden alle Wohnobjekte der Romasiedlung gleichzeitig durchsucht und zahlreiche Gegenstände sichergestellt. Zur gleichen Zeit lagen die vier ermordeten Bewohner bereits in der Pathologie in Oberwart. Wie es den Angehörigen ging und wie sie auf die Hausdurchsuchungen reagierten, geht aus dem Protokoll des Beamten nicht hervor. Um 18.01 Uhr berichtete die Austria Presse Agentur in der Abendmeldung: „Ermittlungen bisher ohne Ergebnis.“ Nach wie vor offen war die Frage, ob es sich um einen Unfall oder einen Anschlag auf die vier Männer handelte.

22.00 Uhr: Ermittler gehen von Attentat aus

Während Innenminister Löschnak in der Sonntag-Spät-„Zeit im Bild“ dabei blieb, dass es keinen Hinweis auf einen Anschlag gebe, stellte sich den Ermittlern in Oberwart ein anderes Bild dar:

„22:00 Uhr Besprechung … über das bisher vorliegende Erhebungsergebnis. Aufgrund der bisherigen Ermittlungen und Erhebungen sowie der gegenwärtig noch andauernden Gerichtsobduktion und ersten Einschätzungen daraus, neigen Gefertigter, … und die anderen vor Ort eingesetzten Beamten immer mehr dazu, von einem geplanten Sprengstoffattentat auszugehen … Opferprofilanaylsen … bestärken die Annahme, daß hier ein gezielter Sprengstoffanschlag stattgefunden hat. Von keinem der anwesenden Beamten vor Ort wird den vier getöteten ROMAs die Konstruktion einer derartigen Höllenmaschine zugetraut.“

Warnung erst nach Explosion in Stinatz

Die Öffentlichkeit wurde darüber nicht informiert. Es gab keine Großfahndung, keine Straßenkontrollen im Großraum Oberwart und auch keine Warnung an die Bevölkerung. Die erfolgte erst zwölf Stunden später, nachdem am nächsten Vormittag im 15 Kilometer entfernten Stinatz die nächste Bombe explodiert war.

"Montag 6. Februar – 11:50 Uhr

Nach kurzer Diskussion und Besprechung bezüglich der weiteren Vorgangsweise in gegenständlichem Fall regt Gefertigter … an, unverzüglich via ORF die Bgld. Bevölkerung bzw. die hier ansässigen Minderheiten von weiteren Sprengstoffattentaten eingehend zu warnen …"

Das dauerte allerdings noch: Um 12.09 Uhr berichtet die APA von einer „angeblichen weiteren Bombenexplosion“ in Stinatz. Von der Sicherheitsdirektion Burgenland hieß es dazu „kein Kommentar“. Erst um 13.12 Uhr veröffentlichte das Innenministerium nach einer Pressekonferenz folgende Aussendung: „Löschnak: Bombenexplosion in Oberwart war kein Unfall“.

Ermordete wurden nach 37 Stunden offiziell zu Opfern

Exakt 37 Stunden und 25 Minuten waren vergangen, bis aus den ermordeten Männern auch offiziell Opfer eines Terroranschlages wurden. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Beamte aus dem Burgenland seine Arbeit in Oberwart bereits beendet. Der letzte Eintrag in seinem Protokoll:

„Bemerkt wird, daß während der gesamten Amtshandlung hinsichtlich des Sprengstoffvorfalls in Oberwart eine ausgezeichnete Zusammenarbeit mit den Kräften der KA Burgenland … insbesondere mit Hauptmann … sowie den Beamten der EBT, der KTZ und des Entschärfungsdienstes einschließlich Journalstaatsanwalt Dr. … und Untersuchungsrichter Dr. … gegeben war.“

https://burgenland.orf.at/stories/3033152/

 

Hier das gesamte Polizeiprotokoll zum nachlesen.

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