• Geschichte

Migration nach Europa

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Aufgrund sprachwissenschaftlicher Untersuchungen kann man nachweisen, dass es mehrere Wanderungen und Wege der Rom_nija und Sinti_zze nach Europa gab. Vom Iran und von Afghanistan aus gelangten mehrere Gruppen nach Armenien, von dort zogen sie in verschiedenen Richtungen weiter (u.a. über den Kaukasus nach Russland). Andere Gruppen wanderten nach Griechenland und in Richtung der Balkanhalbinsel. Im Süden wanderten Rom_nija und Sinti_zze entlang des Laufs von Euphrat und Tigris; einige wanderten nach Syrien, ein Großteil in die asiatische Türkei. Einige wanderten aber auch weiter nach Ägypten und entlang der nordafrikanischen Küste und sollen so über Gibraltar nach Spanien gekommen sein. Es gibt aber auch Forscher, die der der Ansicht sind, dass die Rom_nija und Sinti_zze von Frankreich her nach Spanien gelangten.

Während der osmanischen Eroberungen in Osteuropa kämpften Rom_nija und Sinti_zze sowohl auf Seiten der Osmanen, andere aber auch in christlichen Heeren als Waffenschmiede, Büchsenmacher und Soldaten. Wegen des Vorrückens der osmanischen Armee und der Kriegsverwüstungen flohen viele Rom_nija und Sinti_zze, die in den umkämpften Gebieten lebten, nach Westen. So flohen auch Tausende aus Kleinägypten, einem Landstrich auf dem Peloponnes (Griechenland), nach Mittel- und Westeuropa.

Als Rom_nija und Sinti_zze die Länder Mittel- und Westeuropas erreichten, gaben manche von ihnen an, dass sie aus Kleinägypten stammten. Sie wanderten in kleinen und größeren Gruppen (bis zu 300 Personen) und wurden von einem Wojwoden (Graf, Herzog) angeführt.

Die nach Deutschland wandernden Rom_nija und Sinti_zze sind wahrscheinlich dem Donautal gefolgt. Mehrere Gruppen haben entweder das Erzgebirge überschritten oder haben im Süden die Karpaten umwandert und sind so in die Ebenen der Moldau gelangt.

Erste Erwähnungen in Mitteleuropa

 

 

 

Beginn der Verfolgung

"Als die ersten Roma in Deutschland eintrafen, ging die mittelalterliche Ordnung langsam zu Ende: Die Einheit der christlichen Welt, die universitas christiana, war in Auflösung begriffen; das Kaisertum verlor an Einfluss; (...) gleichzeitig wurden die zahlreichen durch das Land vagierenden Menschengruppen (Kaufleute, Handwerker, Gaukler, Büßer, Flüchtlinge vor den Osmanen) zunehmend als bedrohlich empfunden; die Pest, die ihren Höhepunkt um 1350 erreicht hatte, flackerte immer weiter Richtung Westen vor."  


(Katrin Reemtsma: Sinti und Roma. Geschichte, Kultur, Gegenwart, München 1996, S.27)

 

 

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Rom_nija und Sinti_zze waren immer wieder Spielball der Auseinandersetzung zwischen Herrschern und Beherrschten. Oft wollte die Obrigkeit mit drastischen Verfolgungsmaßnahmen demonstrieren, welche Folgen Menschen zu spüren bekämen, wenn sie – wie Rom_nija und Sinti_zze –  jenseits der herrschenden Ordnung leben.

In den nachfolgenden Jahrhunderten wurden viele Gesetze gegen Rom_nija und Sinti_zze erlassen. In den deutschen Staaten waren es zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert allein 150 Verordnungen. Es gab verschiedenste Begründungen für die Verfolgungen: Im 15. Jahrhundert begründete man sie etwa mit Verrat am Christentum oder machte die Rom_nija und Sinti_zze für die Ausbreitung der Pest verantwortlich. Während der Bauernkriege wurde ihnen Spionagetätigkeit für die Türken vorgeworfen.

Von Spanien bis Litauen, von Holland bis Böhmen versuchten die Herrscher die Rom_nija und Sinti_zze zu unterdrücken, zu vertreiben oder hinzurichten. Glücklicherweise war aufgrund mangelnder Kontrolle die Fähigkeit der Staaten beschränkt, diese Gesetze effektiv zu vollziehen. Europaweit organisierten Behörden immer wieder "Zigeunerjagden", an denen sich die Bevölkerung beteiligte (in Dänemark noch 1835). Um der Gefangennahme, körperlichen Strafe und dem Tod zu entgehen, waren die Rom_nija und Sinti_zze gezwungen, abseits der Städte und Dörfer zu leben und umherzuziehen.

 

 

Die Pilger werden verfolgt

 

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"Demnach wurden die Gruppen angeführt von einer mit einem Adelstitel versehenen Person (slaw. Woivod = gewählter Heerführer; ins Deutsche als Herzog oder Graf zu übertragen), die gut gekleidet und zu Pferde auch wie etwa "Herzog Andreas aus Klein-Ägypten" 1422 in Bologna in einer Herberge innerhalb der Stadt logierte, während sein Gefolge außerhalb der Stadt lebte. Diese Organisation ähnelte damit mehr dem Hof der mittelalterlichen Kaiser, die auch über Jahre hinweg mit ihrem Gefolge unterwegs waren; und sie unterschied sich von den vielen Vaganten der Zeit, die in der Regel alleinstehende Männer waren."

(Katrin Reemtsma: Sinti und Roma. Geschichte, Kultur, Gegenwart, München 1996)

 

 

 

Während der ersten Zeit der europäischen Wanderungen (15. Jahrhundert) reisten die Rom_nija und Sinti_zze als fremde Pilgergruppen durch die mitteleuropäischen Länder. Man akzeptierte sie als Pilger und behandelte sie im Sinne der christlichen Tugend mildtätig. Sie erhielten von höchsten Stellen Schutzbriefe (Vorläufer unserer heutigen Reisepässe), mit denen sie sich in einem bestimmten Herrschaftsgebiet frei bewegen konnten. Der bedeutendste Schutzbrief wurde von König Sigismund ausgestellt. Neben Landesfürsten stellte auch der Papst solche Dokumente aus, die ein uneingeschränktes Reisen in allen christlichen Ländern ermöglichten.

Neben der Reisefreiheit bestand jedoch auch die Ausgrenzung aus der mittelalterlichen Ordnung etwa durch das Verbot bestimmte Gewerbe auszuführen.

Schon sehr bald allerdings verschärfte sich  die Ausgrenzung. Rom_nija und Sinti_zze wurden nicht mehr ohne weiteres in Städte eingelassen, und vereinzelt kam es wohl auch schon zu gewaltsamen Übergriffen. Die Rom_nija und Sinti_zze waren nun "bekannte Fremde". Der Reiz des Neuen war verloren gegangen und es bildeten sich Vorurteile aus. Ab dem 16. Jahrhundert merkte die staatliche Gesetzgebung in den verschiedenen Ländern Rom_nija und Sinti_zze für die härteste Verfolgung vor.

Rom_nija und Sinti_zze waren die ersten Menschen mit dunkler Hautfarbe in Europa, auf die man mit Verachtung, Geringschätzung und Aberglauben blickte. Ihr Dunkelsein wurde mit dem Bösen in Verbindung gebracht.

 

 

Sklaverei in Osteuropa

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Ab dem 13. Jahrhundert begannen Rom_nija und Sinti_zze aus Griechenland in die rumänischen Fürstentümer Walachei und Moldau zu ziehen. Aufgrund reger Handelstätigkeiten mit Westeuropa und dem Byzantinischen Reich konnten Rom_nija und Sinti_zze dort als Schmiede, Kesselmacher und Holzschnitzer Arbeit finden. Wegen der osmanischen Eroberungen kam der Handel zum Erliegen; die Fürstentümer mussten an die Osmanen Tribut zahlen. Die rumänischen Bauern wurden mit immer höheren Steuern belastet. Sie gerieten in die Leibeigenschaft von Fürsten, Großgrundbesitzern und Klöstern. Neben den freien Bauern und Leibeigenen gab es in den Fürstentümern auch Unfreie, Robi genannt, die meisten von ihnen waren Rom_nija und Sinti_zze.

Die ersten Sklaven unter den Rom_nija und Sinti_zze sind bereits 1382 in Dokumenten erwähnt. Diejenigen, die im Besitz der Prinzen oder des Staates waren, konnten sich im Gebiet des jeweiligen Fürsten frei bewegen und mussten einmal jährlich Tribut zahlen. Sklaven unter der Herrschaft von Großgrundbesitzern und Klöstern waren rechtlose Landarbeiter und durften nicht herumreisen. Sie konnten familienweise verkauft werden.

Berichte über die Sklaverei

 

 

 

Zeitweilig geduldet

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Während des 30jährigen Krieges (1618-1648) und bis zum Ende des 17. Jahrhunderts waren Rom_nija und Sinti_zze zeitweise geduldet. Als Soldaten und Söldner waren sie in den kriegerischen Auseinandersetzungen willkommen. Romagruppen bildeten manchmal eigene militärische Truppenteile, die Familien waren auf den Kriegszügen mit dabei. Roma und Sinti waren Teil der Heere des 30jährigen Krieges, die sich aus Soldaten der unterschiedlichsten Länder zusammensetzten.

Das Militär war eines der wenigen Berufsfelder, in denen sie geduldet waren und ihren Lebensunterhalt sichern konnten.

Abgesehen von den im 30jährigen Krieg dienenden Söldnern lebten Rom_nija und Sinti_zze zusammen mit anderen armen und rechtlosen Bevölkerungsschichten am Rande der Gesellschaft. Während des Krieges gab es für die Rom_nija und Sinti_zze widersprüchliche Gesetze – diejenigen, die als Soldaten dienten, und ihre Familien waren geduldet, die anderen wurden vertrieben. Nach Beendigung des Krieges wollte man alle Schuld an Kriegsgräueln und Verwüstungen den Söldnern zuschreiben, wodurch auch diese Rom_nija und Sinti_zze wieder in Verruf gerieten. Als die Herrscher begannen das Militärwesen zu reformieren, war in den neuen Heeren für die Roma und Sinti kein Platz mehr vorgesehen.

Während der Türkenkriege in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts waren sie mancherorts wieder willkommene Soldaten und Waffenschmiede. In verschiedenen Ländern wurden andererseits Restriktionen erlassen, Durchreiseerlaubnis verwehrt und Rom_nija und Sinti_zze mit Gewalt vertrieben (Innsbruck ab 1651). Ende des 17. Jahrhunderts vermehrten sich pogromartige Verfolgungen, der alte Zustand der Rechtlosigkeit der Rom_nija und Sinti_zze wurde wiederhergestellt.

 

 

Verfolgungen, Folterungen, Ermordungen

Ab der Wende zum 18. Jahrhundert begannen erneut Verfolgungen. In den deutschen Ländern wurden einheitliche "Zigeunergesetze" geschaffen. Kaiser Karl VI. veröffentlichte 1721 ein Generalmandat, das die Verhaftung und Ausrottung der Rom_nija und Sinti_zze befahl.

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Im 18. Jahrhundert wurden Rom_nija und Sinti_zze von der Justiz gesondert behandelt. Öffentliche Brandmarkung und physische Stigmatisierung fanden statt. An Stadteinfahrten und Landesgrenzen wurden "Zigeunerpflöcke" errichtet, die die drakonischen Strafen bildlich darstellten, falls sie sich nicht an Gesetze halten. Dies waren u.a. Körperstrafen, wie das Abschneiden von Ohren und Anbringung von Brandzeichen am Körper.

Bei Verhören wurden Folterungen angewandt. Anklagen und Ermordungen wegen Hexerei mehrten sich ab dem 17. Jahrhundert. Es gab öffentliche Hinrichtungen von Mitgliedern so genannter "Zigeunerbanden". So wurden in Nürnberg 1733 vier Roma gerädert, weitere vier wurden enthauptet. Ein Rom wurde gerädert, sein Kopf wurde auf einen Pfahl gesteckt.

Die aufkommende bürgerliche Lebensauffassung sah in jenen Menschen, die am Rande oder außerhalb der Gesellschaft standen, eine Gefahr. Alle Bewohner sollten sich dieser bürgerlichen Gesellschaftsordnung unterwerfen. Jene, die man nicht direkt kontrollieren konnte, sollten mit diesen Strafen zum Gehorsam und zur Unterordnung gezwungen werden. In der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts begann in mehreren Ländern eine neue Politik gegenüber Rom_nija und Sinti_zze. Nicht Verfolgung und Vertreibung, sondern die Assimilation war nun das Ziel. Hierzu ist vor allem die Politik Maria Theresias zu nennen, deren grausame Verordnungen für die Rom_nija und Sinti_zze im gesamten Habsburgerreich Geltung hatten.

 

 

Deportiert – Rom_nija in den Kolonien

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Nur in einigen wenigen Ländern wurde die Anwesenheit der Rom_nija und Sinti_zze geduldet, in vielen Ländern und Staaten wurden sie verfolgt und diskriminiert. Vom 15. bis in das 18. Jahrhundert bestimmten Verfolgungen und Vertreibungen das Leben der Rom_nija, Sinti_zze und der Calé (in Spanien). Bereits 1528 wurde in Spanien allen nomadisierenden Rom_nija und Sinti_zze die Galeerenstrafe angedroht. Auch in anderen Ländern zwang man sie, auf Galeeren zu dienen oder schickte sie unter Zwang in die neuen Kolonien. Um 1600 deportierte man Rom_nija und Sinti_zze aus Portugal nach Angola und auf afrikanische Inseln. Aus Spanien wurden Rom_nija und Sinti_zze, die man beschuldigte Häretiker (Ketzer) und Zauberer zu sein, nach Brasilien deportiert. 1665 wurden schottische Rom_nija nach Jamaika und Barbados verbannt, polnische Rom_nija wurden nach Sibirien deportiert. Anfang des 19. Jahrhunderts zwang man baskische Rom_nija nach Louisiana auszuwandern. Ähnliches trifft auch für Holland und andere europäische Länder zu.

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