Anfang des 15. Jahrhunderts gelangten Rom_nija in Regionen der heutigen Tschechischen Republik und der Slowakei. König Sigismund (1386-1437) stellte für eine Gruppe von Rom_nija einen Schutzbrief aus, der auch für nachfolgende Gruppen und Generationen gültig war.
Als die Habsburger in Böhmen an die Macht kamen, wurden Maßnahmen beschlossen, die die Verfolgung und Ermordung der Rom_nija zum Ziel hatten. Die Politik der Assimilierung Maria Theresias und Josephs II. galt auch für die Rom_nija Böhmens.
Nach dem 1. Weltkrieg waren Rom_nija von einer besonders repressiven Politik betroffen (Gesetz zum Nachweis eines ständigen Aufenthaltsortes, Maßnahmen zur Forcierung der Aussiedlung und Auswanderung).
Nach 1945 wurden die Rom_nija endlich Staatsbürger der Tschechoslowakischen Republik. In der sozialistischen ČSSR wurden Romnija durch besondere finanzielle Anreize zur Sterilisation angehalten, sie wurden auch zwangsweise sterilisiert.
In den Republiken Tschechien und Slowakei werden Romasiedlungen bis heute von rechtsextremen Gruppen überfallen. Rund 10.000 Rom_nija in Tschechien wurde die Staatsbürgerschaft verweigert. 1998 wurden von der UNO 133 rassistisch motivierte Verbrechen gegen Rom_nija und Afrikaner in Tschechien aufgezeigt. Im letzten Jahrzehnt wurden mindestens elf Rom_nija aus rassistischen Motiven ermordet.
Laut offiziellen Zahlen beläuft sich die Zahl der in der Tschechischen Republik lebenden Rom_nija auf 11.716, ihre eigentliche Zahl wird aber auf rund 250.000 – 300.000 geschätzt. Gemäß dem tschechischen Staatsbürgerschaftsgesetz von 1993 wurde vielen Rom_nija, die bis dahin eine Staatsbürgerschaft der Slowakischen Republik besessen hatten, die tschechische Staatsbürgerschaft verweigert, das Wahlrecht entzogen und der Zugang zu Sozialleistungen versperrt. Manche wurden sogar des Landes verwiesen. Aufgrund heftiger internationaler und inländischer Kritik wurde das Gesetz 1999 novelliert. Die tschechischen Rom_nija sind im Arbeitsleben massiver Diskriminierung ausgesetzt, ihre Arbeitslosenrate wird - aufgrund fehlender Schulbildung, fehlender Berufsbildung und Diskriminierung durch Arbeitgeber - auf 70% geschätzt, erreicht aber in manchen Gegenden 90%. Zahlreiche Berichte legen nahe, dass aufgrund des Fehlens geeigneter Antidiskriminierungsgesetze die Rom_nija im tschechischen Rechtssystem weit verbreiteter Diskriminierung ausgesetzt sind. Angeblich wurde den Rom_nija der Zugang zu Restaurants, Gasthäusern, Bars und ähnlichen Einrichtungen verweigert. Eine unverhältnismäßig große Anzahl von Romakindern – gemäß aktuellen Statistiken fünfzehnmal so viele Rom_nija wie Nicht-Roma_nija – werden durch psychologische Tests in Sonderschulen für "intellektuell nicht entsprechende" Kinder eingewiesen. Zweisprachige Schulen für Romakinder gibt es nicht. Seit 1992 entwickelt das "Balancing Steps in Education"-Programm, organisiert von der tschechischen Regierung und dem Rat für Roma-Angelegenheiten, Methoden zur Schaffung von Vorbereitungsklassen für Romaschüler und finanziert die Ausbildung von Assistenzlehrkräften.
"… dann schreien sie Feuer."
Die Mauer in der nordböhmischen Stadt Usti nad Labem: ein Symbol für den Umgang Tschechiens mit seiner Roma-Minderheit.
Schon als im Mai 1998 erste Pläne der Stadtregierung von Usti nad Labem bekannt wurden, einen von Rom_nija bewohnten Häuserblock mit einer vier Meter hohen Mauer zu umgeben, erhoben sich laute Proteste von Roma-Organisationen. In der Folge blockierte die Verwaltung des nordböhmischen Distrikts das Vorhaben. Die Verantwortlichen einigten sich auf eine knapp zwei Meter hohe Ziegelmauer, die im Oktober 1999, dem Widerstand von Roma-Aktivisten zum Trotz, unter starkem Polizeischutz in einer "Nacht-und-Nebel Aktion" errichtet wurde. Sinn des Zaunes, wie die Mauer offiziell heißt, sollte es sein, benachbarte Einfamilienhäuser, in denen Tschechen wohnen, vom "unzumutbaren Lärm und Geruch" der Rom_nija zu bewahren. Inzwischen war die lokale Angelegenheit zu einer nationalen und schließlich sogar internationalen geworden. Tschechien, aussichtsreicher EU-Beitrittskandidat, musste sich plötzlich in aller Welt den Vorwurf des Rassismus gefallen lassen. Die Regierung beeilte sich, dieses Bild als falsch hinzustellen; doch selbst Vaclav Havel meinte in einem Interview mit Radio Prag auf die Frage, wie er die Einstellung seiner Landsleute gegenüber den Rom_nija beurteile: "Ich nehme an, das ist Fremdenhass. Die Tschechen fühlen sich wohl in ihrer Lebensart – und wenn etwas oder jemand auch nur ein kleines bisschen anders ist, dann schreien sie Feuer." Neben rassistischen Attacken in anderen Ländern des ehemaligen Ostblocks, sind die Rom_nija in Tschechien nicht nur gesellschaftlicher Diskriminierung, sondern realer Verfolgung ausgesetzt: Allein im Jahr 1998 wurden von der UNO 133 rassistisch motivierte Verbrechen gegen Rom_nija und Afrikaner in Tschechien registriert.
Alltägliche Diskriminierung
Das seit der Gründung der Tschechischen Republik 1993 gültige Staatsbürgerschaftsgesetz enthielt Passagen, die darauf abzielten, Rom_nija die Staatsbürgerschaft zu verweigern. Einem Bericht des HRW (Human Rights Watch/Helsinki) zufolge, wurden mindestens 10.000 Rom_nija die tschechische Staatsbürgerschaft zu Unrecht vorenthalten. Auch nach einer Änderung des Gesetzes 1998 bleiben viele Rom_nija von diesem fundamentalen Bürgerrecht ausgeschlossen. In anderen Bereichen werden Rom_nija ebenfalls systematisch benachteiligt. Als Folge sind mindestens 70% der tschechischen Rom_nija ohne Arbeit, in manchen Gegenden erreicht die Arbeitslosigkeit sogar 90%. Zwar hat die tschechische Regierung auf Drängen des Auslandes inzwischen Stellen geschaffen, die mit der Lösung dieser Probleme beauftragt sind, doch zeigen die Maßnahmen bisher noch keine Wirkung. Im Oktober 1999 erfuhr die internationale Öffentlichkeit, dass die tschechische Fluglinie CSA die Tickets jener Fluggäste, die man für Rom_nija hielt, mit "g" für "gypsy" kennzeichnete. Ebenfalls im Oktober wurde bekannt, dass die Akten aller arbeitssuchenden Rom_nija routinemäßig mit dem Vermerk "R" für "Roma" versehen wurden. In einer Parlamentsdiskussion erklärten Vertreter zweier Mitte-Rechts-Parteien, dass dies nicht nur unbedenklich, sondern vielmehr als "positive Diskriminierung" zu werten sei.
Quelle: Romani Patrin
Kein Platz für Roma
Eine Audio-Slideshow Reportage über ein Romahaus in Usti nad Labem von Florian Manz, Timo Robben, Gustav Pursche und Sebastian Heidelberger.
Für Aufsehen in der Rom*nija-Community sorgte ein Fall von Polizeigewalt 2021 bei dem ein Rom ums Leben kam. Der Fall fand kaum Beachtung in den Medien und wurde von der tschechischen Regierung gerechtfertigt. Die HÖR (HochschülerInnenschaft österreichischer Rom*nja) veranstaltete wenige Tage nach Bekanntwerden der Tat in Österreich (vor allem durch die Journalistin Gilda Horvath) eine Mahnwache für Stanislav Tomáš. Die ORF Volksgruppenredaktion berichtete:
Mahnwache in Wien für Opfer von Polizeigewalt
Am 19.6 starb der Rom Stanislav Tomáš in Teplice, Tschechien, nachdem teilweise bis zu drei Polizisten gleichzeitig auf seinem Nacken knieten. Ein Polizist kniete nach einer Verhaftung sechs Minuten lang auf dem Nacken von Stanislav Tomáš. Noch im Krankenwagen, der kurz darauf gerufen wurde, verstarb er. In Österreich machte den Fall als erste die Journalistin Gilda Horvath öffentlich, die international sehr gut vernetzt ist.
Innerhalb der Roma-Community löste der Fall von Stanislav Tomáš einen Schock aus, dem ein Aufschrei nach Gerechtigkeit und Aufklärung folgte, denn die tschechische Regierung als auch die Polizei weisen jegliche Schuld von sich, trotz zahlreicher Augenzeugen. Für die Vertreter und Vertreterinnen der Roma handelt es sich klar um einen schweren Fall von Polizeigewalt, daher sei es nun wichtig ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen. Denn in den Foren und sozialen Medien erlebt man als Reaktion auf den Fall auch eine Welle des Hasses gegen Roma und Romnja.
Gilda Horvath sprach kurz nach dem Vorfall mit dem tschechischen Romea.cz-Redakteur Zdeněk Ryšavý, der berichtete, dass die Polizei die Augenzeugen darum gebeten hat, mit niemanden auch nicht mit den Medien über den Vorfall zu sprechen. Trotzdem verbreitete sich das Handyvideo, dass den Vorfall filmte, schnell über das Internet. Die Berichterstattung über Roma und Romnja in Tschechien sei sehr einseitig, so die Journalistin. Denn die ersten medialen Veröffentlichungen stammen von der Polizei, Stanislav Tomáš wurde sofort als Täter dargestellt, erzählt Gilda Horvath. In Österreich findet der Fall von den Medien kaum Beachtung.
Gemeinsam mit der HochschülerInnenschaft Österreichischer Roma und Romnja hielt man gestern eine Mahnwache in Wien ab. Für die HÖR war es eine Selbstverständlichkeit und ein großes Anliegen ein Zeichen zu setzen und diesen Fall nicht stillschweigend hinzunehmen, erklärt die Präsidentin der HÖR, Sladjana Mirković. Die HÖR fordert, dass dieses Verbrechen lückenlos aufgeklärt wird und in Österreich eine offizielle Meldestelle für Polizeigewalt eingerichtet wird.
Viele sehen in dem Fall von Stanislav Tomáš Parallelen zu dem Fall von George Floyd, der ebenfalls nach einer sogenannten „Intervention“ der Polizei in den USA starb. Der Tod Floyds löste im vergangenen Jahr die #BlackLivesMatter Bewegung aus. Zahlreiche Menschen gingen auf die Straße und forderten Maßnahmen gegen die anhaltende Polizeigewalt und gegen den strukturellen Rassismus, von dem Afroamerikaner immer noch betroffen sind. Auch in Österreich gab es eine Protestbewegung. Ob es nun auch eine ähnlich starke #RomaLivesBewegung geben kann? Sladjana Mirković ist sich sicher, dass der Aufschrei im aktuellen Fall nicht so groß sein wird, wie im letzten Jahr.
Der Rassismus innerhalb der Polizei ist ein internationales Problem, dass in vielen Ländern auf der ganzen Welt besteht. Vor allem im Osten Europas sind gerade Roma und Romnja immer noch sehr stark von rassistischen und diskriminierenden Verhalten der Polizei betroffen. Der Fall Stanislav Tomáš macht dies nun wieder auf extreme und tragische Art deutlich. Doch wie sieht die Situation in Österreich aus? Sladjana Mirković sieht vor allem ein Problem darin, dass Menschen mit Migrationshintergrund von der Polizei immer noch anders behandelt werden. Dies dürfe nicht sein, so Mirković.
Auch für die Journalistin Gilda Horvath stellt der strukturelle Rassismus innerhalb der Polizei ein großes Problem dar. Die Antirassismusstelle in Österreich, ZARA, berichtet in jedem Jahr über die steigende Zahl von Fällen der Polizeigewalt, viel zu viele Fälle, so Gilda Horvath. Nun sei es wichtig einen Schulterschluss innerhalb aller benachteiligter und diskriminierter Gruppen zu bilden. Denn Polizeigewalt könne jeden irgendwann treffen, so Horvath, nun müsse man geeint dagegen vorgehen.
Am Ende der Mahnwache entzündeten alle Beteiligten als Solidaritätsbekundung für Stanislav Tomáš und gegen Polizeigewalt und Rassismus Kerzen vor dem Marcus Omofuma Denkmal in Wien.