• Geschichte

Nationalsozialismus

Rassentheorien

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten trat sofort eine Reihe von Gesetzen in Kraft, die sich gegen Rom_nija und Sinti_zze richteten.

Die Nürnberger Gesetze von 1935 ("Reichsbürgergesetz" und "Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre") stempelte Rom_nija und Sinti_zze, Jüdinnen und Juden und Menschen mit schwarzer Haut als Nichtarier und somit als "rassisch minderwertig" und "asozial" ab. Ihnen wurde die Reichsbürgerschaft abgesprochen und das Wahlrecht entzogen. Ehen zwischen "Ariern" und "Nichtariern" wurden verboten.

1936 wurde begonnen, alle Rom_nija und Sinti_zze systematisch zu erfassen – die Behörden im Burgenland hatten dies bereits seit den 1920er Jahren getan. Die ersten Rom_nija und Sinti_zze wurden in Konzentrationslager gebracht.

 

Rassenhygienische Forschungsstelle

1936 wurde die "Rassenhygienische Forschungsstelle" gegründet. In ihr sollte "wissenschaftlich" bewiesen werden, dass Rom_nija und Sinti_zze nicht auf Grund äußerer Lebensumstände "asozial" wären, sondern dass dies ein vererbbares Verhalten sei. Deshalb sollten sie in Arbeitslager gesperrt und zwangssterilisiert werden. In der "Rassenhygienischen Forschungsstelle" wurde neben medizinischen Untersuchungen auch "Ahnenforschung" (Verwandtschaftsverhältnisse der Rom_nija und Sinti_zze) betrieben. Man wollte nachweisen, dass Rom_nija und Sinti_zze vorwiegend "Mischlinge" seien, die aus Ehen mit Asozialen und Kriminellen hervorgingen. Der Leiter der "Forschungsstelle", Robert Ritter, vertrat die Meinung, dass sie minderwertiges Erbgut in sich trügen, daher asozial, arbeitsscheu und primitiv seien. Man stellte eine Klassifizierung nach "Vollzigeunern" und "Zigeunermischlingen" auf.

Ritter erarbeitete Vorschläge für ein "Reichszigeunergesetz", in dem er die "Unterbindung einer weiteren Vermischung zwischen Zigeunern und Deutschblütigen", "Trennung der reinen Zigeuner von den Mischlingen" und "Sterilisation und Isolation" vorsah.

Diese Arbeiten hatten mit Wissenschaft nicht das Geringste zu tun, die Ergebnisse dienten einer Politik der Vernichtung und waren, zusammen mit der systematischen Erfassung, die Grundlagen für die Vernichtung hunderttausender europäischer Rom_nija und Sinti_zze.


Robert Ritter, Eva Justin und Hermann Arnold

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Führend bei der pseudo-wissenschaftlichen Erfassung und Klassifizierung der Rom_nija und Sinti_zze war der Arzt Dr. Robert Ritter. Ab 1936 leitete er die "Rassenhygienische und bevölkerungsbiologische Forschungsstelle".

Ziel der Untersuchungen dieser "Forschungseinrichtung" war unter anderem zu definieren, wer ein "Zigeuner" war. Ritter sah die Erforschung der Rom_nija und Sinti_zze als ein Teilproblem der Erforschung von Asozialen und konstruierte einen Zusammenhang von unterstellter Rassenzugehörigkeit und vermeintlicher Asozialität. Diese "wissenschaftlichen" Erkenntnisse waren haltlos, unwissenschaftlich und dienten allein der Vernichtungspolitik des NS-Staates.

Die Anwendung der "Nürnberger Blutschutzgesetze" sah Ritter als nicht ausreichend, er vertrat den Standpunkt, dass eine "rassenhygienische und kriminalbiologische Lösung der Zigeunerfrage" notwendig sei. Ritters Arbeiten und Stellungnahmen und die seiner MitarbeiterInnen Eva Justin, Sophie Ehrhardt und Adolf Würth waren Grundlagen für den Genozid an Rom_nija und Sinti_zze. Die unwissenschaftlichen Ergebnisse dieser ForscherInnen wurden von Politik und Polizei bereitwillig aufgenommen. Im Dezember 1938 gab Himmler einen Runderlass heraus, demzufolge die "Regelung der Zigeunerfrage aus dem Wesen der Rasse" heraus vorzunehmen sei. Dem folgten viele Erlässe, die die Rom_nija und Sinti_zze bis zu ihrer Deportation in ihrem Leben einschränkten (siehe "Festsetzungserlass").

Eva Justin, die Romanes beherrschte, erwarb sich das Vertrauen mancher Rom_nija und Sinti_zze. Sie arbeitete an einer Dissertation unter dem Titel "Lebensschicksale artfremd erzogener Zigeunerkinder". Dafür untersuchte sie Kinder während ihrer Deportation in Auschwitz. Viele der von ihr untersuchten Kinder wurden ermordet.

Hermann Arnold, der spätere Landauer Amtsarzt, war freier Mitarbeiter der "Rassenhygienischen Forschungsstelle". Nach 1945 setzte er seine Arbeiten im Geiste Robert Ritters fort und forderte noch 1972 rassistische Sondergesetze. Bis 1976 war er Sachverständiger für "Zigeunerfragen" von deutschen Regierungsstellen und arbeitete für die "Katholische Zigeuner- und Nomadenseelsorge" Deutschlands.

 

 

„Grunderlass“ und „Festsetzungserlass“

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1937 ordnete die nationalsozialistische Regierung in Deutschland den so genannten "Grunderlass" an. Dieser galt ab März 1938 auch im Burgenland.

Der "Grundlegende Erlass über die vorbeugende Verbrechensbekämpfung durch die Polizei", kurz „Grunderlass“, sollte die "Asozialenfrage" regeln. Er zielte insbesondere auf Menschen ohne festen Wohnsitz und jene, die aus verschiedenen Gründen nicht arbeiteten. Diese sollten in Vorbeugehaft genommen werden.
Der "Grunderlass" ordnete weiters die Erfassung aller Rom_nija und Sinti_zze an, die älter als sechs Jahre waren. Sie mussten sich einer rassenbiologischen Untersuchung unterziehen.
Bald darauf ordnete Heinrich Himmler an, dass arbeitsfähige männliche "Asoziale" in das KZ Buchenwald deportiert werden. Dies galt in besonderem Maß für Rom_nija und Sinti_zze.
Nach 1937 erhielten Rom_nija und Sinti_zze Ausweispapiere oder Wandergewerbescheine nur mehr mit besonderer Bewilligung der Kriminalpolizei.

Auf Grund des "Festsetzungserlasses" von Oktober 1939 durften Rom_nija und Sinti_zze ihren Aufenthaltsort nicht mehr verlassen. Im April 1940 wurde die Deportation aller Rom_nija und Sinti_zze beschlossen.

 

 

 

 

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Das Programm der „Vernichtung durch Arbeit“

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Zur planmäßigen Durchführung des nationalsozialistischen Völkermords aus Gründen der "Rasse" an rund 500.000 Rom_nija und Sinti_zze im besetzten Europa gehörte das Programm der "Vernichtung durch Arbeit". Als Sklavenarbeiter wurden sie Opfer des Vernichtungsprogramms in SS-Unternehmen und in deutschen Rüstungsbetrieben

 

Nach Schätzungen des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma waren im "Dritten Reich" mehrere Tausend Sinti und Roma aus fast allen nationalsozialistisch besetzten Ländern Europas zur Sklavenarbeit gezwungen worden ... Sklavenarbeit von täglich 12 bis 15 Stunden mit völlig unzureichender und mangelhafter Ernährung war die Regel; sie führte nach wenigen Wochen zu Unterernährung, Krankheit und Entkräftung und zum sicheren Tod der Arbeitssklaven. Hinzu kamen Tausende von Sklavenarbeitern, die von der SS bei der Arbeit misshandelt, erschlagen, erhängt und erschossen wurden. ...

Nach dem Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurden Sinti_zze und Rom_nija systematisch um ihre berechtigten Entschädigungs- und Wiedergutmachungsansprüche betrogen.

Quelle: Romani Rose, Walter Weiss: Sinti und Roma im "Dritten Reich". Das Programm der Vernichtung durch Arbeit. Göttingen, 1991

 

 

Tobias Portschy

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Nach dem "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 wurde Tobias Portschy zur zentralen Figur der nationalsozialistischen "Zigeunerverfolgung" im Burgenland. Hitler ernannte ihn noch im selben Jahr zum Gauleiter, SA-Führer und Landeshauptmann des Burgenlands.

Im August 1938 veröffentlichte er seine Denkschrift "Die Zigeunerfrage", die deutlich von den Nürnberger Rassengesetzen beeinflusst war. Seine darin enthaltenen Vorstellungen und Pläne "zur Lösung der Zigeunerfrage" wie das Schulverbot für Romakinder, die Zwangssterilisierungen oder die Einweisung in Arbeitslager, wurden mit Beginn des Zweiten Weltkrieges sukzessive umgesetzt.

 

 

Erste Deportationen

01-6-7 1"Das ist ja durch ganz Österreich herumgegangen, die Zigeuner dürfen nicht mehr herumreisen, Juden müssen um ihr Leben zittern. Jeder hat das gewusst. Dann ist es mit den Gadsche immer ärger geworden. Wenn sie gesehen haben, da fährt ein Zigeunerwagen zu, haben sie nicht mehr freies Geleit gegeben oder einen Platz angeboten für den Wagen. Die haben jetzt alles zugemacht. Ob das ein guter Gadsche war oder ein böser, er hat bös werden müssen, sonst wäre er von den anderen schlecht beschrieben worden. Auch die Polizei ist dauernd gekommen: "Was macht´s da, verschwindet´s ihr Gsindel! Was macht´s ihr für einen Dreck!" Obwohl gar kein Dreck da war ... Wenn wir uns irgendwo hinstellten, wurde es uns verboten ... Und dann ist die Zeit gekommen, wo wir uns verstecken mussten ... In dieser Zeit hat es schon geheißen, Zigeuner dürfen nicht mehr in die Schule ... Du stehst dort wie ein schwarzer Punkt. Die anderen starren dich an: "Ah, die darf jetzt nicht mehr mit uns in die Schule!" Wie man sich da fühlt, daran denkt kein Mensch ...".

(Ceija Stojka: Wir leben im Verborgenen, S 126-127, 134-135)

Bereits 1938 erteilte das Reichskriminalpolizeiamt Berlin den Befehl, alle männlichen Burgenland-Roma, die nicht bei der Ernte beschäftigt waren, in die Konzentrationslager Dachau und Buchenwald zu überstellen. 232 wurden schließlich deportiert.

Frauen waren in einem noch größeren Ausmaß von diesen ersten Deportationen betroffen. Unter den Ende 1939 in Ravensbrück internierten 2.000 Häftlingen befanden sich auch 440 Roma-Frauen aus dem Burgenland.

 

Lackenbach

Das größte Lager im Deutschen Reich war das „Zigeunerlager“ in Lackenbach, im Bezirk Oberpullendorf. Nach eigenen Aussagen verantwortlich für die Errichtung des Lagers in einem alten Meierhof der Gutsverwaltung Esterhazy, war Bernhard Wilhelm Neureiter. Ein ehemaliger Lehrer und selbsternannter „Romaforscher“, sowie ab 1938 Kolumnenschreiber. Er trat für eine radikale Lösung der sogenannten „Zigeunerfrage“ ein. Er forderte neben Zwangssterilisation auch die Einweisung der Rom_nija in Arbeitslager und setzte sich aktiv für die Errichtung des Lagers in Lackenbach ein. Unterstützung fand er an zahlreichen Stellen und somit konnte das Lager 1940 in Betrieb genommen werden.

Nachdem die Verpflegungskosten im Arbeitslager, aufgrund der steigenden Zahl der Insassen, stiegen, wurde Neureiter erneut aktiv und begann Arbeitsverträge mit der obersten Bauleitung der Reichsautobahnen zu verhandeln. Er konnte einen Vertrag abschließen und 350 Rom_nija aus dem Arbeitslager Lackenbach und weitere 100 Rom_nija aus anderen Lagern wurden zum Reichsautobahnbau im Herbst 1941 abkommandiert. Die Arbeitslager waren nur als eine vorübergehende Lösung geplant, die Ermordung der Rom_nija in verschiedenen Konzentrationslagern, war von Anfang an beabsichtig, so der Historiker. Von den 3.200 bis 4.500 inhaftierten Rom_nija überlebten nur 300 bis 400 die Befreiung des Lagers in Lackenbach im April 1945.

Quelle: Herbert Brettl, „Internierung und Zwangsarbeit von Roma und Romnija im Burgenland 1938-1945“.  Der Vortrag war Teil der online Vortragsreihe „Nationalsozialistische Zwangsarbeit in Österreich“, die von November 2020 bis Mai 2021, ausgehend von erinnern.at, stattfand.

Tobias Portschy legte 1938 in der Schrift "Die Zigeunerfrage" den Grundstein für die systematische Vernichtung der Rom_nija und Sinti_zze. Die etappenweise Vernichtung setzte sich 1939 mit der Errichtung des so genannten "Zigeunerfamilienlagers“ ("Anhalte- bzw. Arbeitslager") in Lackenbach fort.

Die Rom_nija wurden aus ihren bisherigen Wohnstätten deportiert. Ihr Besitz wurde "arisiert".

Hauptursachen für die hohe Sterberate in den Lagern waren die fehlende medizinische Versorgung, die ständigen Misshandlungen sowie die schwere Arbeit.

Die Lagerinsassen standen unter einer enormen psychischen Belastung. Die Einweisung ins Konzentrationslager wurde als Repressalie eingesetzt und war schlussendlich nur von der Willkür der zuständigen Aufseher abhängig. Entlassen konnte man nur dann werden, wenn man einen "überwiegend deutschen Blutanteil" nachweisen konnte bzw. im Besitz eines ausländischen Passes war. Dies war jedoch nur in ausgesprochenen Einzelfällen möglich. Neben Lackenbach existierten noch Dutzende weitere "Anhaltelager" in Österreich, die teilweise als Nebenlager von Dachau und Mauthausen dienten.

 

 

Das „Zigeunerlager“ Maxglan/Leopoldskron

Nachdem Österreich in das Deutsche Reich eingegliedert worden war, beschloss der Sicherheitsdienst 1939, dass alle "Zigeuner" nach Polen umgesiedelt werden sollten. Deshalb wurde der "Festsetzungsbescheid" erlassen, das bedeutete, dass alle Rom_nija und Sinti_zze vorerst an dem Ort, an dem sie sich gerade befanden, bleiben mussten.

In der Stadt Salzburg wurde das Sammellager Maxglan/Leopoldskron errichtet. Rom_nija und Sinti_zze durften die Stadt nur mehr zu bestimmten Zeiten und mit Sondergenehmigung betreten. 1940 begannen die Nationalsozialisten mit den ersten Transporten nach Polen, aus diesem Grund wurden Rom_nija und Sinti_zze ärztlich untersucht und erfasst. Das Sammellager wurde vergrößert, um auch Rom_nija und Sinti_zze aus der Umgebung nach Salzburg zu bringen. Bis zur Fertigstellung mussten viele von ihnen auf dem Gelände der Salzburger Pferderennbahn leben, jeder Familie wurde eine Pferdekoppel zugeteilt. Die Abschiebung nach Polen wurde jedoch verschoben, die Lebensbedingungen im Lager verschlimmerten sich und die InsassInnen wurden zur Zwangsarbeit genötigt. Ende März 1943 wurde das Lager aufgelöst und der Großteil der im Lager inhaftierten Rom_nija und Sinti_zze wurde nach Auschwitz-Birkenau deportiert.

Im Jahr 2020 veröffentlichte das DÖW (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes) eine Arbeit zu „Dezentrale nationalsozialistische „Zigeunerlager. 1938 –1945 auf dem Gebiet des heutigen Österreich“. Die Historikerin Sabine Schweitzer erörtert in diesem Projekt die verschiedenen dezentralen Arbeitslager, in welche Rom_nija und Sinti_zze verschleppt wurden und zur Zwangsarbeit missbraucht wurden. Dass Rom_nija und Sinti_zze auch Zwangsarbeit leisten mussten und an vielen Großbaustellen in Österreich eingesetzt wurden, war lange Zeit nicht bekannt. Hier gibt es den Projektentwurf zum Nachlesen:

https://www.doew.at/cms/download/8v3s6/gb_projektentwurf.pdf

Im September 2021 wurde das Werk der Historikerin Dr. Sabine Schweitzer mit dem Titel „Anständig beschäftigt“ Dezentrale nationalsozialistische „Zigeunerlager 1938-1945 auf dem Gebiet des heutigen Österreich in den Vereinsräumlichkeiten des Kulturverein österreichischer Roma präsentiert. Das Buch entstand in Kooperation mit dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Wiederstandes (DÖW).

Sabine Schweitzer, „Anständig beschäftigt“. Dezentrale nationalsozialistische„Zigeunerlager“1938–1945 auf dem Gebiet des heutigen Österreich
Herausgeber: Kulturverein österreichischer Roma und Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Wien 2021,
190 S., ISBN 978-3-901142-79-6,
Preis € 25,00 zzgl. Versandkosten

Bestellungen an:
Kulturverein österreichischer Roma,
Tel.: +43-1-310 64 21,
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

 

 

Sprachwissenschaftliche Forschung

Im Frühjahr 1943 verbrachte der Sprachwissenschaftler Johann Knobloch zehn Tage zu Studienzwecken im burgenländischen "Zigeuner- Anhalte- und Zwangsarbeitslager" Lackenbach , um, wie er in seiner 1943 erscheinenden Dissertationsschrift "Romani-Texte aus dem Burgenland" schreibt, "einen Überblick über die Zigeunerdialekte Burgenlands" (Knobloch, 1943, S. 1) zu geben.

Die sprachwissenschaftlichen Forschungen wurden im Auftrag der SS-Forschungsinstitution „Ahnenerbe“ durchgeführt, da man in den Märchen der Roma Reste eines „arischen Mythos“ vermutete. Dies wird aus einem Schreiben des SS-Standartenführers Sievers von Jänner 1943 an den damaligen Dekan der philosophischen Fakultät der Universität Wien, SS-Hauptsturmführer Prof. Dr. Viktor Christian (auch Dissertationsbetreuer von Johann Knobloch), deutlich: 

"[...] Wie ich beim Reichskriminalamt Zentralstelle für Zigeunerfragen in Erfahrung bringen konnte, sind von den annähernd 9000 Zigeunern, die bis vor kurzem im Burgenland sesshaft waren, ca. 5000 bereits umgesiedelt worden. Über die noch verbleibenden 3500 bis 4000 Zigeuner kann Herr [...] von der Kriminalstelle Wien Auskunft geben. [...] Da für die Abfassung des Dissertationsthemas über die Sprache der burgenländischen Zigeuner vermutlich nur wenige Leute verhört zu werden brauchen, würde sich dieses auch im Konzentrationslager Lackenbach bei Wien durchführen lassen. Besondere Eile ist geboten, da, wie die Zentralstelle für Zigeunerfragen mitteilte, in Kürze weitere Aktionen bezüglich Umsiedlung durchgeführt werden würden. [...]"

(Zit. nach Heuß, 1992, 104f) 

Inwieweit Johann Knobloch von dem Hintergrund des Forschungsauftrages und von den konzentrationsähnlichen Zuständen im Lager Lackenbach informiert war, ist nicht bekannt. In einem Interview im Jahre 1990 mit der Literaturwissenschaftlerin Beate Eder (Eder, 1993, S. 241) stritt er ab, etwas davon gewusst zu haben. Alle 5000 „umgesiedelten“ Rom_nija, von denen er schreibt, waren nach ihrer Deportation nach Łódź (Polen) ermordet worden oder an den Haftbedingungen gestorben.

1953 wurde die Dissertation Knoblochs gedruckt. In seinen Dankesworten richtet sich Knobloch, ähnlich wie bereits 1943, an die "braunen Kinder dieses sorglosen Völkchens":

„Die Lagerleitung in Lackenbach hat mir die Feldforschung durch verständnisvolles Entgegenkommen erleichtert. Aber auch den braunen Kindern dieses sorglosen Völkchens gilt mein Dank für das entgegengebrachte Vertrauen. Ich habe sie in bester Erinnerung und darf wohl auch hoffen, dass sie den Herrn „Adjutanten“ (wie sie mich irrtümlich nannten, da das Wort „Assistent“ nicht ihrem Erfahrungsbereich angehörte) nicht vergessen haben.“

Sämtliche Arbeiten Knoblochs über das Burgenland-Romani nach 1945, deren inhaltliche Qualität hier nicht zur Diskussion steht, basieren auf seinen Forschungsergebnissen im Lager Lackenbach.

(u. a. Knobloch 1950, 1964, 1977, 1984)

Mitläufer oder Mittäter? – Die Frage lässt sich an dieser Stelle nicht erörtern. Tatsache bleibt jedoch, dass wissenschaftliche Forschung über Rom_nija in der Vergangenheit oftmals für politische Zwecke missbraucht wurde oder gar in deren Diensten stand. Während der NS-Zeit, die rund 90% der in Österreich lebenden Rom_nija und Sinti_zze nicht überlebten, fand dies einen traurigen Höhepunkt.


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„Die Endlösung“

Aus Lackenbach wurden im November 1941  2000 Personen deportiert, insgesamt über 5000 von fünf Bahnhöfen aus dem Burgenland bzw. der Steiermark.  5000 Burgenland-Rom_nija wurden vorerst in das Ghetto Litzmannstadt in der polnischen Stadt Łódź und anschließend in die umliegenden Konzentrationslager deportiert. Einige starben bereits beim Transport, rund 700 überlebten die Lagerbedingungen nicht, und alle bis dahin Übriggebliebenen wurden im Gas erstickt. Kein einziger überlebte.

Litzmannstadt war der deutsche Name der Stadt Lodz, das Ghetto ein eingezäunter Teil der Stadt, die Unterkunft der Roma war in einem abgetrennten Teil des Ghettos, deren Verbleib dort nur einige Wochen, Ermordung voraussichtlich mit Gaswagen in Chelmno/Kulmhof Jänner 1942.

Am 11. November 1941 erteilte der Landrat in Oberwart, Dr. Hinterlechner, die Weisung, dass die "nach der Umsiedlung freiwerdenden" Häuser der Roma "derart zu entfernen sind, daß auch keinerlei Spuren mehr hinterlassen werden. Es sind daher vor allem auch etwaige Grundmauern vollkommen zu entfernen."

Der "Auschwitz-Erlass" vom 16. Dezember 1942 besiegelte dann endgültig das Schicksal der Rom_nija und Sinti_zze. Himmlers Deportationsbefehl richtete sich gegen alle "Zigeunermischlinge, Roma und balkanischen Zigeuner", wobei der in den Nürnberger Rassengesetzen festgelegte "Mischlingsgrad" nicht mehr berücksichtigt wurde. Eine Ausnahmeregelung für sozial angepasste sowie für eine kleine Gruppe "reinrassiger Zigeuner", die als "Exponate" in einem Himmler'schen Freilichtmuseum dienen sollten, bestand eigentlich nur auf dem Papier. Die "Vernichtung" war nunmehr das primäre Ziel. Noch im selben Jahr wurden 2.760 österreichische Rom_nija und Sinti_zze nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Die überwiegende Mehrheit von ihnen starb nach kurzer Zeit entweder in den Gaskammern oder an den Misshandlungen, den Seuchen, an Hunger und den medizinischen Experimenten des Lagerarztes Josef Mengele.

Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden mindestens zwei Drittel aller österreichischen Rom_nija und Sinti_zze ermordet. Neuere Schätzungen sprechen von nur ca. 10% Überlebenden. In Unterschützen zum Beispiel – einer kleinen Agrargemeinde in der Nähe von Oberwart – überlebten von 143 Rom_nija vor dem Krieg nur zehn Personen den Genozid.

Die Opferzahlen spiegeln jedoch nur einen Teil des zugefügten Leids wider. Wie viele der Burgenland-Rom_nija von den Sterilisierungsprogrammen und medizinischen Versuchen betroffen waren, lässt sich nicht mehr feststellen. Ein Großteil der Heimgekehrten war durch Humanversuche gekennzeichnet. Abgesehen von den physischen Schäden waren die psychischen Folgewirkungen enorm.


Das „Zigeunerlager“ in Auschwitz

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Das so genannte "Zigeunerlager" befand sich in Auschwitz-Birkenau im Abschnitt B-II-e. Darin mussten Frauen und Männer gemeinsam mit ihren Kindern unter verheerenden Bedingungen leben. Zahlreiche Epidemien brachen aus. Von Februar 1943 bis August 1944 wurden 20.996 Personen (10.899 Männer und 10.097 Frauen) in das Konzentrationslager deportiert und registriert. Ohne Registrierung erfolgte ein Transport mit 1.700 Personen. Insgesamt wurden 22.696 Rom_nija in dieses Konzentrationslager eingewiesen. 20.309 von ihnen überlebten nicht. An den verheerenden Bedingungen, an Entkräftung und Krankheit starben etwa 12.000 Rom_nija.

7.960 Rom_nija wurden in den Gaskammern ermordet:

Ende Februar 1943 1.700 Personen.

Am 23. Mai 1943 1.063 Personen

Im Spätherbst 1943 68 Personen

Im Juni und Juli 1944 1.800 Personen

Anfang August 1944 3.300 Personen 

2.394 Rom_nija (10,4% der Gesamtzahl) waren am 1. August 1944, dem Tag der Liquidierung des "Zigeunerlagers", noch am Leben. Das waren 2.383 Personen, die in andere Konzentrationslager verschickt worden waren, und 11 Frauen, die nach der Sterilisation aus dem Lager entlassen worden sind.

(Quelle: Die Auschwitz-Hefte, Hamburg, 1994)

Die Auflösung des Zigeunerlagers in Birkenau begann im August 1944. (…) Die Liquidierung verlief folgendermaßen: Am Nachmittag des 2. August wurde an der Rampe in Birkenau ein leerer Güterzug bereitgestellt. Dann brachte man 1.408 Rom_nija (813 Männer, 105 von 9 - 14 Jahren und 490 Frauen) aus dem Stammlager. Sie sollten in Konzentrationslager im Inneren des Reiches verlegt werden. Die in Birkenau zurückgebliebenen Menschen verabschiedeten sich durch die Drähte des Lagerzauns hindurch von ihnen. Der Zug fuhr um 16 Uhr ab (…). Um 19 Uhr verhängte die Lagerleitung (…) Lagersperre, (…). Beim Zigeunerlager fuhren Lastwagen mit einer Gruppe von SS-Leuten vor, die an der Liquidierung der Rom_nija teilnehmen sollten. 2.997 Frauen, Kinder und Männer wurden in die Krematorien gebracht und dort vergast.

(Aus: Auschwitz in den Augen der SS, Verlag Interpress, Warschau, 1992)

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