Ceija Stojka

Wir Leben im Verborgenen. Erinnerungen einer Rom-Zigeunerin

Wenn man von Werken spricht, die erzählen, „wie es wirklich gewesen ist“ oder „was niemand glauben will“, ist vor allem jenes von Ceija Stojka (1933-2013) zu erwähnen. Sie war die Romni, die mit Wir leben im Verborgenen – Erinnerungen einer Rom-Zigeunerin (1988) die Verarbeitungsliteratur der Rom_nija ins Leben rief. Sie war die erste Romni, die literarisch darauf aufmerksam machte, dass auch Rom_nija den Nationalsozialisten zum Opfer fielen und dass man dies nicht vergessen dürfe. Ihr Werk gilt immer noch als ein literarisches Mahnmal gegen eine schreckliche Ideologie, die in manchen Köpfen noch immer fortbesteht.

Sogar die Hymne der Rom_nija Djelem Djelem nimmt Bezug auf dieses Thema.

In Gedenken an die Verfolgung durch die Ustascha-Milizien (auch „Schwarze Legion“ genannt) entstand dieses Lied. Der Text war ursprünglich ein Gedicht, welches von Žarko Jovanović 1969 verfasst wurde. Seit 1971 ist Djelem Djelem die Hymne der Rom_nija. Der Inhalt des Textes setzt sich mit dem Völkermord auseinander und dieser stellt tragischerweise eine Gemeinsamkeit zwischen den unterschiedlichen Rom_nija-Gruppen  dar. Dies ist schon sehr bezeichnend: Das Thema der Ermordung des Volkes im Nationalsozialismus als Hymne, die alle Rom_nija miteinander verbindet. Hier ein kurzer Auszug, welcher eben auf jene grausamen Taten Bezug nimmt:

„sasa vi man bari familia
murdardarla i kali legia
saren chinda vi Romen vi Romnien
maschkalende vi zigne schaworen“

„Auch ich hatte eine große glückliche Familie
Sie wurden [sic!] von der schwarzgekleideten [sic!] Legion ermordet
Alle wurden umgebracht Männer, Frauen,
selbst die kleinen Kinder“[1]

 

Ceija Stojka wurde 1933 in der Steiermark geboren und überlebte drei Konzentrationslager (Auschwitz, Ravensbrück und Bergen-Belsen). Diesen Leidensweg beschrieb sie sowohl im schon erwähnten Werk Wir Leben im Verborgenen. Erinnerungen einer Rom-Zigeunerin (1988) als auch im Gedichtband Meine Wahl zu schreiben – ich kann es nicht (2003).

Ihr Werk beschreibt das Leben ihrer Familie während ihrer Deportation in verschiedene Konzentrationslager. Stojka war damals noch ein Kind, daher erscheinen manche Beschreibungen von kindlicher Naivität. Als erwachsene Frau beschreibt sie die Wahrnehmungen, die sie damals als kleines Kind hatte, wie sie das Leben im Konzentrationslager empfand und damit umging. Viele versuchten zu vergessen, was während des Nationalsozialismus passierte und viele wollten auch vergessen, wer zu den Opfern der Nationalsozialisten gehörte. Nach dem Zweiten Weltkrieg bekam die überwiegende Zahl der  Rom_nija  keine Entschädigung für das, was sie durchmachen mussten.

Ceija Stojka erinnert mit ihren Schilderungen daran, dass man nicht vergessen darf, rückt das Schicksal der Rom_nija ins Bewusstsein der Menschen und leitet mit ihrer detaillierten Beschreibungen des grauenvollen Leides das Erinnern an jene ein, die bis dahin im Verborgenen lebten.

„Ich könnte dies nicht ein zweites Mal erzählen, denn in meinen Gedanken erlebe ich jetzt alles, als wäre es gestern passiert. Wenn ich alle meine Gedanken niederschreiben könnte, wäre dies sicher ein endloses Buch der Leiden.“[2]

Die Schilderungen ihres Lebens in den Konzentrationslagern sind schockierend. Die Tätowierung, die sie in Auschwitz bekam, zeichnete sie für ein Leben und machte sie auch gleichzeitig zum Opfer von Rassismus, der auch noch Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg deutlich zu spüren war.

Nachdem die Familie (der Vater und ein Bruder wurden im Konzentrationslager ermordet) befreit wurde, konnte sie einige Zeit in einer leerstehenden Wohnung unterkommen. Diese musste sie aber wieder verlassen, da die eigentlichen Eigentümer, die während des Krieges gezwungen waren, die Wohnung aufzugeben, wieder zurückkamen. Die Familie Stojka musste daraufhin – da sie keine Unterstützung vom Staat bekam – in einen Wohnwagen ziehen. An dieser Stelle wird das weit verbreitete Vorurteil, dass Rom_nija aus Liebe zur Freiheit in Wohnwägen leben und herumfahren würden, gewissermaßen entlarvt. Denn die Wahrheit sieht in den meisten Fällen anders aus:

„Mama und Mitzi gingen wieder auf Wohnungssuche, doch alle Bemühungen waren vergeblich, keiner wollte uns. Auf dem Wohnungsamt sagte man zu ihnen: ‚Ihr bekommt einige Wohnungspunkte und wenn ihr genug Punkte habt, dann wird euch eine Wohnung zugewiesen. ‘ Es blieb uns nicht erspart, wieder in einen Wohnwagen umzuziehen.“[3]

 

[1] Jovanović, Žarko: „Djelem Djelem“.

[2] Stojka, Ceija: Wir leben im Verborgenen. Erinnerungen einer Rom-Zigeunerin. Hrsg. von Karin Berger. 4. Auflage. Wien: Picus Verlag, 2003. Seite 20

[3] Ebd. Seite 80 - 81