Ilija Jovanović

Einer  der bekanntesten Roma-Lyriker_innen Österreichs Ilija Jovanović (1950-2010) setzte sich mit den Verbrechen an tausenden Rom_nija im Zweiten Weltkrieg auseinander.

Ilija Jovanović wurde in einer Romasiedlung in Serbien geboren und kam 1970 nach Wien. Seine drei Kinder wuchsen bei den Großeltern in Serbien auf und zogen erst als Jugendliche nach. Jovanović begeisterte sich schon früh für Literatur und begann neben seiner Tätigkeit im AKH selbst Gedichte zu schreiben, zunächst auf Serbokroatisch, später auch auf Deutsch und in seiner Muttersprache Romanes. 1990 wurde seine Lyrik erstmals im Sammelband “Österreichische Lyrik – und kein Wort Deutsch“ veröffentlicht. Zehn Jahre später erschien mit “ Budžo/Bündel“ die erste Publikation, die ausschließlich Gedichte von Jovanović enthielt. Für seinen letzten Gedichtband “Mein Nest in deinem Haar“ (erschienen 2011) schrieb Elfriede Jelinek das Nachwort.

1991 war Ilija Jovanović einer der Gründer des Romano Centro, dessen langjähriger Obmann er wurde. Ein besonderes Anliegen war ihm die Lernhilfe für Roma-Kinder. [1]

Im Gedichtband Vom Wegrand – Dromese rigatar (erschienen in Deutsch und Romanes) klagt auch er mit dem Gedicht „Nachricht aus dem Jenseits“ an:

Redet, ihr verscharrten Knochen!
Aus Ravensbrück, aus Auschwitz
und Mauthausen!

Über Zwangsarbeit redet
und Zwangssterilisation.
Und von den schweren Steinen,
die ihr über die Todesstiege
tragen musstet.

Redet von Typhus, Cholera,
Tuberkulose,
vom ständigen Hunger
und von der eisigen Kälte.

Redet, ihr verscharrten Knochen,
auch davon, wie sie von lebendigen Leibern
die Haut abgezogen haben,
um damit ihre Schreibtische zu dekorieren.

Redet über die von Zyankali verkrampften
und ineinander verklemmten Leiber
und über die glühenden Öfen,
in denen ihr spurlos, [sic!]
verschwunden seid.

Und über die Kinder,
die an den Füßen gefasst
und an die Wand geschlagen wurden.
Bis sie tot waren.
Redet![2]

Hierbei handelt es sich um eine äußerst realistische und schonungslos ehrliche Darstellung der Grausamkeiten, die im Nationalsozialismus passiert sind. Der Autor fordert die toten Knochen zum Reden auf. Damit weist er darauf hin, dass den Rom_nija eine Stimme zu fehlen scheint, die auf sie selbst, als Opfer von unmenschlicher Behandlung, aufmerksam macht. Die Toten können natürlich nicht mehr sprechen und erzählen, was ihnen passiert ist, daher greifen heute Roma-Autor/innen dieses Thema auf und machen auf jene aufmerksam, die dies selbst nicht mehr können.

 

[1] https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Ilija_Jovanovi%C4%87

[2] Jovanović, Ilja: Dromese rigatar – Vom Wegrand. Klagenfurt: Drava Verlag, 2006. Seite 55